© New Africa/Shutterstock

Der Winter ist da und damit die Lust auf innere Wärme. Nur gut, dass die Designer in diesem Jahr die Behaglichkeit der 70er Jahre wiederentdeckt haben: weiche Oberflächen, viel Braun und keine Angst vor der Dunkelheit. Fürs Licht gibt es schließlich Kaminfeuer.

09 . Februar 2023 - By Maik Novotny

Im Jahr 2023 feiern wir ein Jubiläum, das wohl für wenig Partyhütchen und Luftschlangen sorgen dürfte: 50 Jahre Ölkrise. Manch einer dürfte hier Parallelen sehen zur Energiekrise dieser Herbst und Wintersaison. Doch hier soll es nicht um düstere Wirtschaftsszenarien gehen, sondern um den Zeitgeist. Denn auch dieser feiert seinen Fünfziger. Denn in den Seventies zog man sich von der Inflation und der Unwirtlichkeit der Städte zurück ins Wohninterieur, wo zwischen Flokati, marokkanischen Vogelkäfigen und Tapeten in Dunkelbraun, Dunkelgrün und Orange selbsterfahrend meditiert wurde.

Knistern im Eck Das neue »Hotel Gilbert« in Wien-Neubau wartet mit einer Kamin-Lounge auf, deren höhlenartige Erdtöne genau das Richtige für gestresste Großstädter sind. hotel-gilbert.at

© Hotel Gilbert

Bei einer Umfrage der Vintage-Plattform 1stDibs unter 600 Innenausstatter:innen und Designer:innen gab ein Viertel an, dass es ein Wiederaufleben der 70er beobachtet hatte – auch Matilda Martin vom britischen Online-Designmagazin »Lick« bestätigt den Trend. »Dazu gehört eine breite Mischung von Texturen und Mustern mit weichen runden Kanten und Formen, die sich von der Pflanzenwelt inspirieren lassen. Die Farben sind satt und erdig, mit Braun, Terrakottarot und Orange mit gedämpften Lichtquellen.« Bestes Beispiel für diese Zeitreise in die Schlaghosen-Ära ist das Sofa »Float«, das die australische Designerin Sarah Ellison 2022 auf den Markt brachte. Die Farbe: erdiges Tiefbraun. Der Stoff: dicker Samt. Die Form: eine Symphonie aus weichen Wülsten, in denen man sich Stunden, Tage oder einen ganzen Winter verlieren kann. »Es gibt nichts, das die Seele so gut pflegt wie die Farbe der Erde«, sagt Ellison. »Und die Welt ist zurzeit so verrückt, dass wir alle etwas Seelenpflege brauchen.« Sie hat recht: Nicht nur herbstliche Temperaturen draußen, sondern auch die Überforderung mit Nachrichten aus aller Welt lassen uns Zuflucht im Innenraum suchen.

Fluffy Fell Der Teppich »Filasse« von CS Rugs wurde von ethnischen Motiven inspiriert und verheißt die warme Umarmung von Mutter Erde. csrugs.com

© CS Rugs

SINNLICH UND DUNKEL

Kein Wunder, dass viele Hotels schon längst diese Richtung eingeschlagen und sich von der lichtdurchfluteten Loft-Ästhetik ­abgewandt haben. Das 2021 eröffnete »Hotel Josefine« in Wien Mariahilf wurde von Megatabs Architekten als sinnlich-dunkle Welt aus Samt konzipiert, die passend zum Hotel­namen an Pariser Boudoirs erinnert. Dafür bediente man sich reichlich aus dem Art-Deco-Fundus der 1920er-Jahre mit Messing und Marmor, die komplett neu gestaltete legendäre American Bar im Souterrain bringt zusätzlich einen Hauch 70er-Jahre-Las-Vegas ins Spiel. All dies harmonisch vereint in schummrigem Halbdunkel, das die Martinis im Glas erst so richtig geheimnisvoll schimmern lässt. Das ebenso neue »Hotel Gilbert« hinter dem Wiener MuseumsQuartier wiederum mag mit taghellem Atrium, skandinavischer Moderne und viel Grün zwar auf den ersten Blick winterlich wirken, doch auch hier sorgten BWM Architekten für ein dunkles Gegengewicht: Die Kamin-Lounge lädt zum kuscheligen Cocooning ein, und die Palette an dunklen Braun­tönen übertrifft die Originale der Siebziger noch in puncto Erdigkeit.

Schotten-Stübchen »Lundies House« im Norden Schottlands lässt das Wetter draußen und bietet innen alles fürs stilvolle Cocooning. lundies.scot

© Alex Macleod

THEATRALISCHES SETTING

Radikal in Richtung Dunkelheit schoben die Designer vom litauischen Studio Heima die Farbregler, als sie eine Zweizimmerwohnung in Vilnius zu einem Studioloft umbauten. Die Wände sind in fast schwarzes Dunkelgrau gehüllt, das die Grenzen des Raumes aufzu­lösen scheint. Im Kontrast dazu strahlen die Sessel und Sofas in gesättigtem Smaragdgrün, Weinrot und Violett. Ein theatralisches Setting, das an die surrealen Traumräume von Regisseur David Lynch erinnert. Hier lässt sich der baltische Winter mit stilvoller ­Innerlichkeit durchhalten.

Ein Hauch von Boudoir Das »Hotel Josefine« in Wien taucht Pariser Art-Déco-Elemente in sanftes Licht und kombiniert klare Kanten mit vielen weichen Polstern. hoteljosefine.at

© Tina Herzl

Doch nicht nur in den versteckten Winkeln urbanen Trubels wartet die winterlich-warme Gemütlichkeit, sondern auch in den Hide­aways wilder Landstriche. So zum Beispiel am nördlichsten Zipfel Schottlands:  »Lundies House« empfängt seine Gäste mit reichlich landestypischem Kaminfeuer, aber auch mit Interiors, die in dunkelgrünes Holz ­gerahmt sind wie eine nach Moos duftende Höhle, und mit einer Textilpalette aus Wolle, Leinen und Samt, die auch für haptische ­Behaglichkeit sorgen. Wenn vor den kleinen Fenstern die Nordseestürme wüten, erreicht hier das Interieur die höchste Stufe von Cosi­ness. Und wenn der Strom ausfällt, funk­tioniert das alles auch bei Kerzenschein.

© New Africa/Shutterstock

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