© Studio VF17

Design-Patisserien rund um den Globus

Ist es eine Galerie, eine Bar oder eine Patisserie? Die Grenzen verlaufen fließend. Selbst, wenn man nur Gebäck kaufen möchte, findet man sich in ungewöhnlichen Erlebnisräumen wieder, die mit unseren Erwartungen spielen.

28 . September 2023 - By Karin Cerny

Was macht der Hirsch an der Kuchentheke? In der »Black Star Pastry« in Shanghai muss man immer mit Überraschungen rechnen. Es ist nie klar, wo die Galerie aufhört und die Patisserie anfängt. Der Laden ist ein futuristischer Einzelhandelskomplex, der Gastronomie, Design, Kunst und Lifestyle vereint. Ein bisschen fühlt man sich wie Alice im Süßigkeiten-Wunderland: Die Konditorei im Erdgeschoss ist dem Thema interstellares Reisen gewidmet. In schwebenden Raumkapseln sind Kuchen wie Kunstwerke ausgestellt. Der Satz »Wir sind alle nur Sternenstaub« findet sich an den Rändern der Gemeinschaftstische – und scheint von der Tischkante zu tropfen. Und die drei Hirsche stammen von der britischen Künstlerin Debbie Lawson; sie wirken, als wären sie den Teppichen entstiegen. 

NEUER MINIMALISMUS

Bäckereien tendierten lange dazu, möglichst erdig zu sein. Viel Holz, helle Wände, kaum grelle Farben: Man wollte das Handwerk zelebrieren, der Kundschaft das Gefühl geben, direkt am Backofen zu stehen und beobachten zu können, wie köstliches Brot und wunderbare Kuchen entstehen. Mittlerweile geht der Trend in Richtung hybrider Orte. Bestes Beispiel dafür ist »Pan« in Mailand, eine Bäckerei, die zugleich Küche und Weinbar ist, ein Lokal in der Nachbarschaft, das japanische Kultur zelebriert. »Die Brottheke ist der Protagonist, sobald man den Raum betritt. Sie besteht aus grünen Glasfasergitterplatten und ist ein kleines Stück Architektur, das den Raum bewohnt und auf das natürliche Licht reagiert«, sagen die Architekt:innen von Studio Wok. Ein schöner Minimalismus prägt den hellen, offenen Raum mit seinen großen Fenstern aus Kastanienholz. 

»Pan« Japan trifft Italien in einem minimalistischen Design: Das Lokal in Mailand ist Bäckerei, Küche und Weinbar, ein Ort der Nachbarschaft. In dem offenen, hellen Raum mit großen Fenstern aus Kastanienholz sticht die grüne Brottheke ins Auge. Sie besteht aus Glasfasergitterplatten. panmilano.com

© S. Bossi

»Black Star Pastry« Ein Ort wie aus einem surrealen Traum: Die Konditorei im Erdgeschoss ist dem Thema inter-stellares Reisen gewidmet. Gastronomie, Design, Kunst und Lifestyle sind in diesem ungewöhnlichen Komplex in Shanghai vereint. Die drei Hirsche stammen von der Künstlerin Debbie Lawson. blackstarpastry.com

© J. Leijonhufvud

MODISCHE NOSTALGIE

Aber auch berühmte Fashion-Labels erweitern ihr Sortiment kontinuierlich. Sie wissen, dass man mit Restaurants, Cafés und Bäckereien, die ästhetische Grundsätze der Modemarke repräsentieren, gut verdienen kann. Das »Prada Caffè« (Headerbild) ist ein Pop-up im Nobelkaufhaus Harrods in London. Bis Anfang 2024 gibt es dort italienischen Kaffee und Blätterteiggebäck, Tramezzini und Pistazientorte, die auch von der Farbe perfekt ins nostalgische Gesamtbild passt. Inspiriert von den ersten Prada-Geschäften in Mailand - die allererste Boutique hat 1913 in der Galleria Vittorio Emanuele II eröffnet - lädt das Café auf eine Zeitreise ein. Man sitzt auf eleganten Samtsofas, zartes Mint dominiert als Farbe auch auf den Art-déco-Wandreliefs. Der schwarz-weiß karierte Bodenbelag soll an die monochromen Designs der Marke erinnern. Aber auch Modernisierungen von länderspezifischer Architektur liegen im Trend: Das »Wake n’ Bake« in Abu Dhabi etwa ist eine zeitgemäße Interpretation traditioneller arabischer Designelemente. Die organischen Formen sind von den fließenden Wellen der Sanddünen inspiriert. Die Farbverläufe eines Sonnenuntergangs sollen an Strandpromenaden erinnern. Eines der spannendsten neuen Bäckerei-Cafés ist in Südkorea zu bewundern. »Parconido Bakery« orientiert sich an Italien, man soll sich wie auf einem offenen Platz an einem sonnigen Tag fühlen. »Die organischen Möbel sollen als Teil des Raumes begriffen werden«, sagt Studio Sukchulmok. Die Räume sind mit Fliesen aus Travertin-Kalkstein verkleidet, der wegen seiner Verwendung in Brunnen auf europäischen Plätzen ausgewählt wurde. Es gibt aber auch eine spektakuläre Rooftop-Terrasse, die aus roten Ziegeln und ebenfalls sehr verspielten geschwungenen Formen besteht. Einziger Nachteil: Die Bäckerei liegt nicht gerade zentral nördlich der Hauptstadt Seoul in Goyang. 

»Wake n’ Bake« Eine neue Bäckerei in Abu Dhabi, die mit arabischen Designelementen spielt. Die organischen Formen sind von den fließenden Wellen der Sanddünen inspiriert. Die Farbverläufe erinnern an einen Sonnenuntergang, man soll sich wie am Strand fühlen, obwohl es gut klimatisiert ist. shell-core.com/wake-n-bake

© beigestellt

»Parconido« Eine Bäckerei in Südkorea, die an ein stylisches Raumschiff erinnert. Organische Formen sorgen für eine futuristische Stimmung. Gleichzeitig sollen die Fliesen aus Travertin Kalkstein an offene Plätze in Italien denken lassen. Es gibt auch eine spektakuläre Rooftop Terrasse.  sukchulmok.com

© beigestellt

DIGITALITÄT UND PRÄSENZ

Auch die spanische Bäckerei »Cara Mela« in Madrid möchte mit gängigen Klischees brechen – und auf eine Entdeckungsreise einladen. Der erste Raum ist funktional: zugleich Theke, Bar, Lager, Kühlschrank, Ofen, Kasse und Waschbecken. Die Magie des Ortes offenbart sich erst, wenn man weitergeht. Wie in einem Museum ist man plötzlich in einer künstlichen grünen Oase mit schrägen Möbeln, die im Raum zu schweben scheinen. Inmitten dieses grünen Kachelmeers zieht ein roter Punkt unsere Aufmerksamkeit auf sich: Es sieht wie ein Gemälde aus, das an der Wand hängt. Aber es ist ein Fenster, durch das man in die Küche sehen kann. »›Cara Mela‹ ist ein Experiment, das eine Vision des Einzelhandels präsentiert, die an seine aktuellen Bedürfnisse angepasst ist: eine Take-away-Architektur für einen hybriden Konsum zwischen Digitalität und Präsenz«, betont das Design- und Architekturkollektiv Casa Antillón. Es gibt analoge Kuchen in einer Bäckerei, die wie eine Matrix aussieht. Ziemlich spacig. 

»Cara Mela« Eine spanische Bäckerei, die auf eine Entdeckungsreise einlädt. Der erste Raum ist funktional, der zweite eine grüne Oase mit schrägen Möbeln, die im Raum zu schweben scheinen. Die innovative Architektur möchte zwischen Digitalität und Präsenz spielen – und uns
überraschen. cara.melapasteleria

© Miguel de Guzmán

»Beans&Dots« Auch in Rumänien wird Barista-Kultur in coolem Ambiente zelebriert. Das »Beans&Dots« in Bukarest ist ein Hipster-Hangout. Es befindet sich in einer alten Druckerei in der Nähe des Stadtzentrums, die als kultureller Raum neu gestaltet wurde, aber ihren Industrial-Stil beibehalten hat. beansanddots.ro

© beigestellt

ERSCHIENEN IN

LIVING Nr. 06/2023
Zum Magazin

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Genuss – das ist zentrales Thema der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 23/07