Die schönsten Patios
Atrien und Patios sind mehr als nur Löcher im Grundriss. Quer durch die Geschichte und quer durch alle Klimata hat sich das Hofhaus zu einem Wohnmodell mit schöner, unverwechselbarer Privatsphäre entwickelt. Auch in der zeitgenössischen Architektur ist das Atrium kaum noch wegzudenken.
19 . Mai 2020 - By Wojciech Czaja
Die historische Altstadt von Granollers, rund 30 km nördlich von Barcelona, gilt als die am dichtesten bebaute Innenstadt Kataloniens. Inmitten von engen Gassen und Korridoren reiht sich ein Wohnhaus ans andere. Hinter einer der geschichtsträchtigen, von Jahrhunderten gezeichneten Steinmauern versteckt sich ein kleines, auf den ersten Blick unscheinbares Paradies: Die katalanischen H Arquitectes, die sich auf Wohnbau und Revitalisierung von historischen Häusern spezialisiert haben, füllten die nur 6,5 Meter breite, dafür aber fast 60 Meter tiefe Parzelle hinter dem denkmal-geschützten Portal mit einer Sequenz aus Wohnbereichen, schattigen Patios und hybriden Aufenthaltsatrien an der Schnittstelle zwischen Innen und Außen.
»Für uns war es wichtig, den Innen- und Außenraum funktional miteinander zu ver-binden und auf diese Weise eine zusammenhängende Raumfolge zwischen geschütztem Wohnen und offenem Freiraum zu kreieren«, sagt Roger Tudó Galí, Projektleiter und Partner bei H Arquitectes. »Während wir in den Innenräumen Holz und weiße Kalkfarbe verwendet haben, bilden die hellen Ziegelsteine in den Atrien, die im Boden- und Wand-bereich zum Einsatz gekommen sind, eine Art künst-liche Landschaft. Es sieht aus, als wäre man in einer karstigen, geometrisch eingefassten Natur mit Ruhe, Frischluft und kühlen, schattigen Plätzen – und doch ist man, während draußen die Menschenmassen auf und ab spazieren, mitten in Granollers.«
Für den außergewöhnlichen, räumlich und materiell kompromisslosen Ansatz wurde die Casa 1014, so der offizielle Titel des Hauses, mit dem internationalen Brick Award ausgezeichnet. Dass sich das doppelschalige Ziegelmauerwerk heute tatsächlich in seiner puren Nacktheit zeigt, ist der Hartnäckigkeit der Architekten zu verdanken. »Wir haben den Bauherren zu Beginn des Projekts vorgeschlagen, die Ziegeloberflächen zu verputzen, wenn sie ihnen nicht gefallen«, erinnert sich Galí, »aber erfreulicherweise haben die Bewohner die immensen Qualitäten des Ziegels erkannt. Ziegel sieht schön aus, riecht gut und hat eine wunderbare Haptik.«
Patios und Atrien sind beliebte Elemente, um inmitten dicht bebauter Siedlungsräume – umzingelt von Hunderten Häusern und städtischem Treiben auf der Straße – geborgene, akustisch abgeschottete Rückzugsräume zu schaffen. Das Loch im Grundriss hat nicht nur den Vorteil, dass es die umliegenden Aufenthaltsräume mit Licht und Luft versorgt, sondern schafft auch eine in der Stadt sonst kaum anzutreffende Freiraumqualität mit meist uneinsehbarer Privatsphäre. Oder, wie es Roger Tudó Galí ausdrückt: »Man kann nackt in Haus und Hof herumspazieren, und niemand schaut einem dabei zu.«