Hoch im Norden: Luxuriöse Winter-Hideaways
Nirgendwo ist der Winter so still und naturnah wie in Skandinavien. Wir haben die besten Hideaways in arktischen Breitengraden aufgespürt, wo man bei Kaminfeuer und Aurora borealis in Eis und Schnee die dunkle Jahreszeit zum Erlebnis machen kann.
21 . November 2022 - By Maik Novotny
Keine Angst, wenn Sie in den Lift steigen«, sagt die Rezeptionistin, »Das Haus ist solide.« Sie hat recht. Es ist gewöhnungsbedürftig, in einen hölzernen Liftschacht zu steigen, erst recht, wenn man in den neunten Stock fährt. Doch im Hotelzimmer vermittelt ein dicker diagonaler Balken, dass hier so schnell nichts umkippt.
REISE INS DUNKLE
Das »Wood Hotel Mjøstårnet« im norwegischen Brumunddal, zwei Stunden nördlich von Oslo, ist derzeit das höchste Holzhochhaus der Welt, doch das ist nicht das Einzige, was es attraktiv macht, Da ist auch der Blick aus dem Fenster auf das dunkle Wasser des Mjøsa, des größten Sees Norwegens, auf viel Schnee, auf sehr viel Wald, auf die Dunkelheit im Norden. Und genau dorthin soll die Reise gehen.
Skandinavien im Winter? Wirklich? Aber natürlich! Denn warum in Mallorca, Malé oder Mauritius mit Beachbar-Rambazamba künstlich den Sommer verlängern, wenn man sich zwischen Wald und Fjord von Kaminfeuer und Sauna wärmen lassen kann, mit Rentieren vor dem Fenster und Nordlichtern am Firmament? Eben! Skandinavische Winter-Retreats sind längst kein Geheimnis mehr, hier findet sich alles vom individuellen Glas-Iglu übers Baumhaus bis zum Luxusresort, und das in Norwegen, Schweden und Finnland gleichermaßen.
Die Norweger:innen, reich gesegnet mit spektakulären landschaftlichen Panoramen, haben sich auf Baumhäuser spezialisiert. Zum Beispiel in der Waldwildnis von Finnskogen: Zwei Hütten auf hohen Stelzen acht Meter über dem Boden und mitten zwischen Stämmen und Wipfeln. Die Panhytter (Baumhäuser) entwarf der Osloer Architekt Espen Surnevik aus feingliedrigem schwarzem Metall. »Ich wollte absichtlich kein Holz, sondern einen Kontrast zur Berührbarkeit des Waldes«, sagt Surnevik. Er positionierte die Hütten so, dass sie die maximale Sonneneinstrahlung bekommen.
»Beim Bauen im hohen Norden fasziniert mich nicht nur die Schönheit der Natur, sondern auch ihre Zerbrechlichkeit.« – Snorre Stinessen, Architekt, Tromsø
ERSTE REIHE FJORD
Wer nicht mitten im Wald, sondern in erster Reihe am Fjord sitzen will, braucht für den Ausblick kein Baumhaus. Reisen wir also hinauf zum 69. Breitengrad nach Lyngen. Der Name, der auch den Fjord bezeichnet, bedeutet so viel wie »Stille«, und davon gibt es reichlich im großen Naturpark der Lyngen Alps, gekrönt vom 1834 Meter hohen Jiehkkevárri. Versteckt in dieser ehrfurchtgebietenden Szenerie ist die kleine »Aurora Lodge«, entworfen vom Architekten Snorre Stinessen, der sich aufs Bauen am Polarkreis spezialisiert hat. So abgelegen ist diese Lodge, dass man sie nur per Helikopter erreicht. Von hier durch den tiefen Schnee hinüber nach Schweden, nach Jukkasjärvi, 67. Breitengrad. Hier treffen wir auf einen Pionier des nordischen Wintertourismus, das 1989 eröffnete »Ice Hotel«. Dieses wird jedes Jahr von Neuem aus dem gefrorenen Wasser des Flusses Torne älv geformt, bis es im Frühjahr wieder schmilzt. Neben kühl-coolen Standardzimmern werden zwölf Räume exklusiv von Künstler:-innen, die jedes Jahr neu ausgewählt werden, in expressive Form geschnitzt. Was gibt es Exklusiveres, als in einer temporären Skulptur zu schlafen?
WINTER-WONDERLAND
Nun ja, zum Beispiel tief im Winter in einer schwimmenden Sauna zu schwitzen. Das kann man im »Arctic Bath Hotel« in Lappland. Das kreisrunde Zentrum dieses Hotels wurde nämlich als hölzernes Floß auf dem Fluss Lule älv konzipiert – die Inspiration dafür kam von in Stromschnellen verkeilten Holzstämmen. Man sieht: Die Schwed:innen stehen den Norweger:innen in nichts nach, was architektonische Naturmetaphern betrifft.
Die Finn:innen mögen zwar keine Fjorde und Alpen vorweisen, aber als Winterreiseziel sind sie den Nachbar:innen ebenbürtig. Sie bieten Baumhäuser wie die Norweger:innen und Originelles wie die Schwed:innen (Glas-Iglus!), etwa in der Fünf-Sterne-Lodge Octola bei Rovaniemi, in typisch geschmackvoll-finnischem Design zwischen Moderne und lokaler Bautradition. Innen dunkles Holz, Kaminfeuer, Sauna, damit die Wildnis und das Nordlicht die Bühne frei bekommen. Ein polares Winter-Wonderland.
Erschienen im Falstaff LIVING Residences 02/2022