© Wison Tungthunya

Höher und besser: Hochhäuser aus aller Welt

Der Hochhaus-Trend wird immer wieder totgesagt, doch die Türme klettern munter weiter in den Himmel und entwickeln sich dabei stets weiter. Sie werden ökologischer, dünner und formverliebter – und manche bleiben auch klassisch-elegant. Eine globale Rundreise von Tower zu Tower.

26 . Oktober 2023 - By Maik Novotny

Header Bild: Pixel-Power Als »Great Metropolis« bezeichnet Architekt Ole Scheeren seinen »Maha Nakhon Tower«, der 2018 in Bangkok eröffnet wurde. Seine pixelartige Form, die an ein Computerspiel erinnert, erlaubt oben luxuriöse Terrassen für die Bewohner:innen und unten die Verschmelzung mit dem städtischen Leben.

Gekleckert wurde nicht, als die Projektentwickler S+B Gruppe und Soravia im September die Gleichenfeier ihres Prestigeprojekts »Danube Flats« feierten. Die Wiener Philharmoniker geigten auf, der ungarische Pianist Peter Bence schlug in die Tasten, das Ballett der Staatsoper tanzte horizontal und die »Vertical Dancers« vertikal. Das höchste Wohngebäude Österreichs mit unverbaubarem Fernblick am Donauufer hat seine volle Höhe von 180 Metern und 48 Stockwerken erreicht, etwa 90 Prozent der rund 500 Wohnungen sind schon verkauft und sollen Ende 2024 an die neuen Eigentümer:innen übergeben werden.

VIER RICHTUNGEN

Zu aufdringlich, zu anonym, zu unflexibel, zu teuer im Betrieb: Immer wieder wurden Hochhäuser kritisiert und totgesagt, und dennoch wird unbekümmert weiter in die Höhe gebaut. Zwar sind sie im Betrieb tatsächlich nicht gerade billig, doch entschädigen Aussicht, Prestige und Wertanlage für hohe Monatsrechnungen. Und gegen den Vorwurf der Anonymität wehren sich Architekt:innen und Developer mit immer neuen Ideen. Diese gehen in alle Richtungen, aber lassen sich grundsätzlich in vier Trends zusammenfassen. Da wäre als Erstes der Versuch, diesen an sich nicht sehr ökologischen Bautyp »grüner« werden zu lassen. Stefano Boeri machte mit seinem wild bewucherten »Bosco Verticale« in Mailand den Anfang, seitdem wuchert es weltweit in die Höhe. Das ist allerdings oft nicht mehr als Greenwashing, wenn zarte Pflänzchen im 30. Stockwerk heftigen Fallwinden ausgesetzt werden, und auch in Boeris Original-Turm verschlingt der Erhalt der vertikalen Begrünung enorme Summen.

Schöner Schlitz Als Wahrzeichen des neuen Fengtai District im Süden Pekings wurde der »Leeza Soho Tower« konzipiert. Das Büro Zaha Hadid sorgte für den gläsernen Schwung und das atem-beraubende Atrium in der Mitte.

© Hufton+Crow

»Timber Marina Tower«, Wien Der »Marina Tower« am Wiener Donauufer soll demnächst einen Nachbarn bekommen: Der »Timber Marina Tower« wird der höchste Holzbau der Stadt werden, der Entwurf stammt von Dominique Perrault.

© lonomo GmbH

DÜNN WIE EIN BLEISTIFT

Dabei muss das Grün nicht grün sein, um grün zu sein. Denn die wahre Klimagerechtigkeit lässt sich eher über Konstruktion und Haustechnik erreichen. Hier schlägt derzeit die große Stunde des Holzbaus, der dank besserer Brandschutzkonzepte heute auch bei Hochhäusern zum Einsatz kommt. Schräg gegenüber der »Danube Flats«, an der Donaumarina, wird bis 2026 der »Timber Marina Tower« nach Entwurf von Dominique Perrault entstehen. Laut Bauherr UBM Development wird es mit 32 Stockwerken das höchste Holzhaus in Wien (Das »HoHo Wien« zählt 24 Etagen), soll die strengen Kriterien der EU-Taxonomie erfüllen und mit Geothermie und Fotovoltaik höchst energieeffizient und postfossil sein. Doch nicht überall kann sich die Architektur so baumgleich entfalten wie hier. In Städten wie New York oder Hongkong, wo Bauplätze knapp und die Grundstückspreise exorbitant sind, muss die renditeversprechende Höhe immer kleiner werdenden Grundflächen abgerungen werden. So entstand ein ganz neuer Typ: Die »Pencil Sykscrapers« oder »Supertalls«, in denen oft nur ein einziges Apartment pro Stockwerk Platz hat. Die atemberaubende Nadeldünnheit dieser Türme führte bei ersten Exemplaren wie »432 Park Avenue« zu starken Schwankungen, die manchem Bewohner den frisch gemixten Manhattan aus der Hand fallen ließen. Andere, wie der »Steinway Tower« mit der Adresse 111 West 57th Street, der dünnste Wolkenkratzer der Welt, wurden fast einhellig für ihre Proportion gelobt.

Wilder Wirbel Mit atemberaubendem Schwung wächst das mehrfach preisgekrönte »Vancouver House« in der gleichnamigen kanadischen Metropole von einem schmalen dreieckigen Bauplatz nach oben in die Viereckigkeit hinein.

© Westbank Project Corp.

Big in Berlin Berlin war nie eine richtige Hochhausstadt, und der Turm-Cluster am Alexanderplatz wartete 30 Jahre auf die Realisierung. Aber jetzt geht es los: Der 150 Meter
hohe »Alexander Capital Tower« setzt auf städtische Solidität statt Bling-Bling.

© O&O Baukunst, Finest-Images

DREH-SCHWINDEL

Trend Nummer drei lässt die Türme eine ganz andere Akrobatik vollführen. Nicht so dünn wie Twiggy, sondern möglichst expressiv und auffällig. So unverwechselbar wie der »Maha Nakhon Tower« in Bangkok von Architekt Ole Scheeren, der mit seinem Pixel-Look aussieht wie das eingefrorene Zwischenergebnis eines Tetris-Matches. Das mag man cool oder angestrengt finden, doch die Idee dahinter ist mehr als ein Witz: Hier soll quirliges städtisches Leben auf allen Etagen Platz finden, mit Shops, Hotels und Terrassen. Am anderen Ende der Welt, in Vancouver, formte der dänische Architekturpromi Bjarke Ingels gemeinsam mit dem kanadischen Büro Dialog mit schwindel­erregender Drehung auf einem dreieckigen Bauplatz ein viereckiges Hochhaus. »Ich musste einfach ausprobieren, ob das möglich ist«, schwärmt Dialog-Architekt Vance Harris. »Das Projekt war für mich eine absolute Transformation.« Das »Vancouver House« ist eines von fünf ausgezeichneten Projekten des DAM-Hochhauspreises 2022/23, der vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) sowie der DekaBank organisiert und als offizieller Preis der Stadt Frankfurt verliehen wird und neben gestalterischen Qualitäten vor allem Nachhaltigkeit, Energie- und Kosteneffizienz sowie nutzerfreundliche Gestaltung auszeichnet. Ebenso über eine Auszeichnung freuen durfte sich der britische Pritzker-Preisträger David Chipperfield, dessen vergleichsweise niedriges Hochhaus »The Bryant« in New York stellvertretend für den Turm-Trend Nummer vier steht: Rückbesinnung auf die klassische Eleganz des frühen 20. Jahrhunderts. Ganz ohne Pixel, ohne Akrobatik oder Greenwashing. Manchmal ist Zeitlosigkeit das beste Rezept für die Zukunft.

Zeitlos zurückhaltend Ein solider und eleganter Baustein des urbanen Gefüges von Manhattan ist das von David Chipperfield entworfene 32-geschoßige Hochhaus »The Bryant« gegenüber der New York Public Library.

© David Chipperfield Architects

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