© R. Rieger

Hospitality Architektur: »Köch:innen sind die idealen Bauherr:innen«

Die Berliner Innenarchitektin Ester Bruzkus zählt zu den Größten ihres Fachs. Sie gestaltete Restaurants für Tim Raue, das edle Berliner Kino »Delphi Lux« und zahlreiche Hotels, darunter 15 Häuser der Hotelkette »Azimut« in Russland. Im LIVING-Talk verrät Bruzkus, warum sie in der Gestaltung von Gasträumen ihre Berufung gefunden hat und wieso es keinen Sinn macht, Restaurants eigens für Instagram zu designen.

04 . August 2023 - By Sebastian Späth

Header Bild: Restaurant »Remi« in Berlin Im Zentrum des Raumes befindet sich eine offene Küche – umgeben von Materialien, die wie verschiedene  Zutaten für ein gutes Gericht zusammenwirken.

LIVINGFrau Bruzkus, Sie haben sich auf die Gestaltung von Hotels und Restaurants spezialisiert. Was reizt Sie so daran?

Ester Bruzkus Schon mit 15 stand für mich fest, dass ich etwas Kreatives machen will: Modedesignerin oder Architektin. Zur selben Zeit fing ich an, in der Gastronomie zu arbeiten. Als ersten Job habe ich im Theater am Kur-fürstendamm Bowle verkauft. Nach dem Abitur ging ich für ein Jahr zu Disney World nach Florida. Dort belegte ich Kurse in Hospitality Management und servierte im deutschen Pavillon Bier im Dirndl – obwohl ich Berlinerin bin. Das hört sich lustig an, für mich bestätigte es, was ich ohnehin als meine Stärke erkannt hatte: Menschen zugewandt sein, ihnen das Gefühl geben, willkommen zu sein. Als ich 2009 mit dem »Amano« in Berlin das Interieur für ein Hotel entworfen hatte, stellte sich das als ideale Möglichkeit heraus, meine beiden Interessen zu verbinden: Gastlichkeit und Kreativität. 

Hotels gehören zu den beliebtesten Schauplätzen der Weltliteratur. Sie sind Orte des ständigen Kommens und Gehens, bieten die Möglichkeit aus der Rolle zu schlüpfen, das Leben für eine Zeit lang zu verändern. Können Sie diesen Reiz nachvollziehen?

Wenn man ein Hotel entwirft, dann entwickelt man einen eignen Kosmos. Als Architektin kann man bei der Planung eines Hotels Dinge wagen, die man in einer Privatwohnung nicht vorschlagen würde. In Stadthotels, wie wir sie entwerfen, sind Gäste nämlich selten länger als ein paar Tage. Im Hotel »Mani« etwa sind die Zimmer sehr klein, teilweise nur 15 Quadrat-meter groß. Wir haben Sie komplett mit hochglänzenden dunklen Holzpaneelen verkleidet, dunkel gestrichen und viele spiegelnde Oberflächen verwendet. Restaurants haben noch einmal einen anderen Reiz. 

Das müssen Sie erklären.

Köchinnen und Köche sind die idealen Bau-herr:innen. Die verstehen einfach, dass man nur mit richtig hochwertigen Produkten das perfekte Ergebnis bekommt. Und sie quatschen einem nicht ständig rein, weil sie es selbst nicht mögen, wenn das jemand bei ihrer eigenen Zubereitungsweise tut. Im Restaurant »Remi« im Berliner Suhrkamp-Haus haben wir viel mit starken Farben wie Currygelb und Bordeaux gearbeitet. Die beiden Betreiber Lode van Zuylen und Stijn Remi waren sich nicht sicher, ob sie das mögen. Aber sie haben uns vertraut, weil ihnen klar war, dass es um die Gesamtkom-position am Ende geht – wie bei einem guten Gericht. 

Sie entschieden sich, Architektin zu werden, weil es Ihnen weniger riskant erschien als Modedesignerin. Sind Sie noch immer dieser Auffassung? Jeder, der schon mal gebaut hat, weiß, um was für ein auf-reibendes Unterfangen es sich dabei handelt. 

Da haben Sie recht. Planen und Bauen macht nicht wirklich Spaß. Es ist anstrengend. Man muss kämpfen, dafür das die Grundidee bis zum Ende erhalten bleibt. Aber jedes Mal, wenn ich auf einer Baustelle stehe, bekomme ich wieder Schmetterlinge im Bauch – ganz gleich, wie anstrengend die Zeiten sind, durch die man mit einem Bauprojekt geht. Es ist vielleicht wie beim Kinderkriegen: Man vergisst die Geburtsschmerzen und wird wieder schwanger, weil das Ergebnis so schön ist. Ich verspüre außerdem eine große Dankbarkeit, dass ich die Möglichkeit haben, die Welt zu verschönern.

Wenn Sie Restaurants gestalten, soll das Interieur die jeweilige Küche widerspiegeln. Wie genau übersetzen Sie Geschmäcker, Gerüche und Kon-sistenzen in Farben, Formen und Proportionen?

Bleiben wir beim »Remi« im Suhrkamp-Haus. Im Servicebereich verwendeten wir rot durchgefärbtes MDF für die Einbauten. Die Farbe wird nicht auf die Oberfläche aufgetragen, sondern alle Fasern im Inneren sind gefärbt, sodass sich im Querschnitt das Innere des Materials gleich seiner Oberfläche offenbart, wie bei einem Stück Butter. Das repräsentiert für uns den Purismus der dortigen Küche. Es gibt dort keine komplizierten Emulsionen, keine Schnörkel oder  Manierismen. Gekocht wird mit den besten Produkten, einfachen Mitteln, aber großem
Effekt. Das Produkt soll glänzen. Auch beim Interieur haben wir nur eine sehr reduzierte Aus­wahl an Materialien verwendet und diese in den Vordergrund gestellt. Genau wie die Küche im »Remi« – reduziert, fokussiert und hochwertig.

In vielen Restaurants geht es heute um etwas anderes: Sie sollen vor allen Dingen als
Fotomotiv für soziale Netzwerke taugen. 

Erst kürzlich war ich in Barcelona in einem Restaurant, das im Prinzip alle Bausteine hatte, um auf Instagram zu punkten. Blumen hingen von der Decke und rosafarbene Bögen, die Wände waren mit unterschiedlichen Tapeten versehen, davor standen auf alt getrimmte Möbel. Insgesamt war das Restaurant aber superhässlich. Es hatte kein stimmiges Gesamtkonzept, sondern war eine Collage aus Trends. Von Pizza über Sushi bis hin zu Steaks gab es alles, was man sich vorstellen kann. Was fehlte war aber eine einheitliche Vision. 

Also entwirft man eher kein Raumdesign eigens für Instagram...

Ich denke, das geht meist schief. Ich habe aber nichts gegen die Plattform. Instagram ist eine offene Quelle von weltweiten Entwicklungen, Trends und Innovationen. Mein Ehemann Peter Greenberg etwa schreibt in seinem Instagram Profil architecture_in_a_blink kurze Essays über Orte, zu denen wir Reisen. Es ist eine Art öffentlich zugängliche Enzyklopädie über die wichtigsten Gebäude der Welt.

Werdegang Bruzkus wurde in Haifa geboren. Als Kind kam sie nach Berlin. 2002 machte sie sich
als Architektin selbstständig und wurde 2018 mit dem renommierten Best of Interior Preis ausgezeichnet.

Die Architektin im LIVING Talk.

© D. Mittelstaedt

KaDeWe Im obersten Geschoß des KaDeWe in Berlin entwarfen Ester Bruzkus Architekten jüngst ein Café.

© R. Rieger

Traditionsbewusst und innovativ Für die Gestaltung von Tim Raues Restaurant in der denkmalgeschützten Villa Kellermann in Potsdam haben Ester Bruzkus und ihr Team ein Spiel mit starken Kontrasten inszeniert. Ganz wie bei den Gerichten, die Raue seinen Gästen serviert.

© J. Bösenberg

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