Iconomy: Design-Icons unter 100 mit Karim Rashid
»Life in plastic, it’s fantastic« – zumindest, wenn man auf den richtigen Kunststoff setzt. Definitiv nichts falsch macht man mit dem »Oh Chair« vom großen Design-Demokraten Karim Rashid.
10 . Juni 2021 - By Manfred Gram
Hin und wieder bekommen auch Stardesigner einen Wink mit dem Zaunpfahl. Ende der 1990er-Jahre zum Beispiel Karim Rashid. Der ging in New York, der Stadt, wo er lebt, fein essen. Was ihm auffiel: Das Essen war ziemlich fancy, der Stuhl, auf dem er es zu sich nehmen musste, eher nicht so. So eine Diskrepanz kann einem Menschen, in dessen Leben Ästhetik einen hohen Stellenwert hat, schon einmal ins Auge stechen. Als dann der billige, unbequeme Plastiksessel auch noch während des Essens zusammenkrachte und der Designer, damals bereits ein Popstar der Branche, mit seinem Allerwertesten auf den Boden knallte, war’s vorbei mit dem Spaß. Ein New Yorker Anwalt hätte in dieser Situation vielleicht das Restaurant verklagt, zum Glück für den Wirt (und die Welt) ist Karim Rashid allerdings ein hochkreativer Kopf, der sich zurück in sein Studio begab und auf der Stelle begann, Plastikstühle zu entwerfen.
Rache kann also nicht nur süß, sondern hin und wieder auch produktiv sein. Ziel der Übung war es jedenfalls, einen Sessel zu kreieren, der gut aussieht, ebenso stabil wie bequem ist, innen und außen zum Einsatz kommen kann, stapelbar ist und dabei auch nicht zu sehr aufs Budget schlägt. Raus kam der »Oh Chair« als eine Sitzgelegenheit, die ihre Inspirationsquelle Charles Eames nicht verleugnet und heftig mit der Plastikästhetik der 1970er-Jahre flirtet. Das kanadische Unternehmen Umbra nahm den Sesselentwurf jedenfalls dankend an. Erstens wollte man ohnehin das eigene Portfolio erweitern und den Interior-Bereich erobern und zweitens vertraute man Rashid. Schließlich hatte er für das Unternehmen wenige Zeit zuvor mit dem Papierkorb »Garbo« einen Weltbestseller designt. Ein Kunststück, denn bis dato war ein stinknormaler Mülleimer noch nie in den Rang eines Designobjekts erhoben worden.
Und auch für den »Oh Chair«, gefertigt aus stabilem und flexiblem Polypropylen und vier Beinen aus pulverbeschichtetem Stahl, war die Marktzeit mehr als reif. Innerhalb der ersten drei Wochen nach Verkaufsstart wurden gleich einmal 50.000 Stück verkauft. Das entlockte den Verantwortlichen sicher das eine oder andere »Oh«. Und was noch wichtiger ist: den Kundinnen und Kunden detto. Denn die weiche, freundliche Formensprache und die knallige Farbpalette, die Karim Rashid dem »Oh Chair« verpasst hat, machen auch über 20 Jahre später noch Spaß und den Stuhl zu einem zeitlosen Retroklassiker.
OH Chair
Umbra
Jahr: 1998
Design: Karim Rashid
Hersteller: Umbra
Preis: 60 Euro