Immobilienprofi: »Der Wohnungsmarkt kennt keine Krise«
Doch bei Büros und Retail-Flächen sieht die Sache schon anders aus. Wir haben Michael Ehlmaier, Geschäftsführer von EHL Immobilien und Spezialist für Wohnen und Gewerbe, um eine Einschätzung der Situation gebeten: Was sind die aktuellen Trends? Wie gehen wir mit den Auswirkungen der Corona-Krise um? Und in welche Assetklasse würde er selbst investieren?
13 . April 2021 - By Wojciech Czaja
LIVING: In der jüngeren Geschichte wurde noch nie so viel gewohnt wie in den letzten zwölf Monaten. Wie haben Sie selbst das Corona-Jahr in den eigenen vier Wänden erlebt?
Michael Ehlmaier: Seit ich das Unternehmen EHL Immobilien leite, habe ich im regulären Alltag wahrscheinlich noch nie so viel Zeit zu Hause verbracht wie jetzt. Wir sind eine sechsköpfige Familie. Meine Frau und ich haben vier Kinder zwischen 5 und 17 Jahren, bei uns ist immer Ramba-zamba. Wiewohl ich der Fairness halber dazusagen muss, dass wir in einer glücklichen Situation sind: Wir wohnen in einem Einfamilienhaus im 13. Bezirk, und selbst mitten im Lockdown hatten wir Auslauf und Bezug zur Natur.
Was heißt das fürs Wohnen bzw. für die Wohnbaubranche?
Zum einen merken wir, dass Wohnungen ohne eigenen Freiraum – also ohne Loggia, Balkon, Terrasse oder Eigengarten – deutlich schwerer vermietbar und verkäuflich sind, weil die Menschen im letzten Corona-Jahr gemerkt haben, wie wichtig der Austritt an die frische Luft ist, wie sehr der Bezug zur Natur ein elementares Grundbedürfnis ist. Zum anderen sehe ich, dass wir à la longue die Grundrisse, in denen wir leben, adaptieren werden müssen.
Inwiefern?
Mikrowohnungen sind definitiv kein Thema mehr. Und auch die loftartigen Grundrisse ohne Wände und ohne Türen werden heute weniger nachgefragt als noch vor einem Jahr. Der Trend, den ich daraus ablesen kann: Die Menschen wollen innerhalb der eigenen Wohnung – egal, wie klein oder wie groß diese ist – die Möglichkeit haben, sich bei Bedarf zurückzuziehen. Ich kann mir vorstellen, dass wir in Zukunft zusätzliche Kabinette oder abtrennbare Raumnischen planen werden.
Was heißt das in Bezug auf die Wohnkosten?
Vielleicht werden die Grundrisse noch effi-zienter, die Allgemeinflächen noch knapper geschnitten. Die Zeit der großzügigen Vorzimmer und Abstellräume ist aktuell vorbei. Stattdessen werden wir vermehrt Arbeitszimmer oder Arbeitsnischen in unseren Grundrissplänen vorfinden.
»Der Wiener Wohnungsmarkt kennt keine Krise«, schreiben Sie in Ihrem Ersten Wiener Wohnungsmarkt-Bericht 2021. Wie schlägt sich diese Aussage in konkreten Zahlen nieder?
EHL Immobilien vermittelt pro Jahr rund 1.100 bis 1.200 Wohnungen. Und das war 2020 nicht anders als in den Jahren davor. Der Wohnungsmarkt ist relativ stabil. Auch immer mehr institutionelle Investoren erkennen den Wohnbau als interessante, gewinnbringende und vor allem sichere, nachhaltige Assetklasse für sich. Das hat zur Folge, dass derzeit vor allem Mietwohnungen und verhältnismäßig wenig Eigentumswohnungen errichtet werden. Für Privatkäufer und private Anleger wiederum bedeutet das: Die Kaufpreise werden weiterhin steigen. In den nächsten fünf Jahren rechne ich mit einem Preisanstieg in der Höhe von drei bis fünf Prozent.
Im Gegenzug aber sind das ja gute Nachrichten für den Mietmarkt.
Ja. Hinzu kommt, dass aufgrund des Einbruchs im Städtetourismus derzeit Hunderte Airbnb-Wohnungen in Wien, die in den letzten zehn Jahren dem Wohnungsmarkt entzogen waren, nun wieder einer klassischen Wohnnutzung zugeführt werden.
Glauben Sie, dass einige City-Hotels ebenfalls zu Mietwohnungen umgebaut werden?
Mit Sicherheit. Genaue Zahlen kann ich Ihnen aber nicht nennen. Diese werden sich mit der Zeit weisen.