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Lampenfieber: Die aktuellsten Trends im Lichtdesign

Warum ist Licht eigentlich zu einer so diffizilen Design-Angelegenheit avanciert? Und was ist momentan bei Planung und am Markt angesagt? LIVING hat nachgefragt und hat erhellende Best-Practices-Beispiele, die man aktuell am Schirm haben sollte.

26 . Oktober 2023 - By Manfred Gram

Header Bild: Schlangenbeschwörung Gianfranco Frattini hat die »Aspide Lamp« bereits 1970 entworfen. Die dänische Brand Gubi hat sich der auf Glanz polierten Tischlicht-Schlange angenommen. 

Licht ist eine komplexe Angelegenheit. Und auch ein bisschen paradox. Man sieht alles um sich herum nur durch die Anwesenheit von Licht, doch Licht an sich kann man eigentlich nicht sehen. Außerdem ist da auch noch der Welle-Teilchen-Dualismus, der (stark vereinfacht) besagt, dass Licht Eigenschaften sowohl von Wellen als auch von Teilchen hat. Wie gesagt, alles sehr komplex, und es wird auch nicht einfacher, wenn man die Physik und Philosophie außen vor lässt und sich den vermeintlich leichteren Dingen des Lebens widmet, die mit Licht in Verbindung gebracht werden. Denn selbst die Suche nach der richtigen Beleuchtung endet nicht selten in den Qualen der Überforderung. 

Zwischenlösung. Höchste Eleganz legt die »Millimetro« vom Norweger Daniel Rybakken an den
Tag, wenn sie die Grenzen zwischen Deckenstrahler und Hängelampen ausleuchtet.
 

© Alexandros Pis

Mondsüchtig Bei »Luna« kommt die von Occhio patentierte Lichtquelle »Fireball« zum Einsatz, die es schafft, die Lampe schwerelos wirken zu lassen.
 

© Packshotfactory Wework

Lang lebe die Lampe!

Das beginnt bei Fragen nach Energieeffizienz, Farbwiedergabe und Farbtemperatur, die nahtlos in Fragen übergehen, wozu das Licht denn eigentlich genau benötigt wird. Schließlich braucht es beim Kochen eine andere Beleuchtung als fürs Arbeiten, oder Lesen, Essen, oder Baden. Und während die Fragen in Sachen Stil und Material noch nicht einmal ansatzweise geklärt sind, kommt schon das nächste Problem daher: »Jeder Mensch interpretiert Licht anders. Licht ist ein subjektiver Partner in der Architektur. Es lässt sich bei diesem Thema nichts verallgemeinern.« So umreißt Martin Aigner die Mutter aller Lichtprobleme, und der kennt sich in der Lichtmaterie bestens aus. Er ist Co-Geschäftsführer beim renommierten Lichtplaner Lichtprojekt, hat schon Hunderte Orte vom Eigenheim über Restaurants bis hin zu Museen mit maßgeschneiderten Lichtkonzepten ausgestattet. Aigner hat dabei stets auch das aktuelle Marktgeschehen und natürlich Trends im Blick. Auch bei den Herstellern: »Die Industrie setzt derzeit auf Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Produktion von guten Lampen«, erzählt er und freut sich: »Die Qualität des Lichts hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Sowohl bei der Lichtfarbe als auch bei den CRI-Werten, mit denen die Lichtechtheit von Farben wiedergegeben wird. Man ist hier immer besser geworden.« 

Kegelpartie Stardesigner Michael Anastassiades legt es mit seiner Lampen-Serie »Peaks Up« geometrisch an, die auch – dann eben gegenverkehrt – als »Peaks Down« zu haben sind.

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Seilschaft. Das niederländische Designer-Duo Vantot sorgt in der Leuchtenszene mit ihrer Arbeit »Liiu« für Luceplan für Furore. Die (fast schon) Leuchtskulptur geht problemlos als Lichtvorhang oder Raumteiler durch. 

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Perfekte Inszenierung

Einigermaßen stabil blieben laut Aigner übrigens die Kundenwünsche. Wer heute maßgeschneiderte Lichtkonzepte will, setzt dabei ganz auf smarte Steuerungstechnik
und bevorzugt dabei Leuchten, die als Einrichtungsgegenstände wahrgenommen werden und auch in 30 Jahren noch schön sind. »Kundinnen und Kunden wollen nicht angeben, sondern in erster Linie perfekt inszeniert Räume.« Ein Eindruck, der sich auch mit den Erfahrungen von Rudolf Nekola deckt. Seit fast 50 Jahren verwirklicht er mit seinem Unternehmen Licht Design Leucht­konzepte und produziert auch selbst Lampen und Leuchten. »Eine Wohnung ist eine Bühne und Bühnen gehören beleuchtet. Wir machen das vor allem mit Spots«, erzählt der Licht-Regisseur, der dabei ein Credo hat, wenn es ans Inszenieren geht: »Licht folgt dem Innenraum, also der architektonischen Vorgabe und Licht folgt der Einrichtung. Oder anders: Licht soll als Szenenbeleuchtung für die Einrichtung fungieren.« 

Holzwurm Bodo Sperlein hat für LZF Lamps die Serie »Osca« entworfen. Das edle Konstrukt aus Holzfurnier schafft angenehme Atmosphäre und ist modular erweiterbar.

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Naturereignis Die »Clizia Suspension« von Adriano Rachele soll eine Wolke darstellen, die das Sonnenlicht der ersten Tagesstunden einfängt und Schattenspiele entstehen lässt. Sie geht aber auch als Skulptur durch. 

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Schwerelose Leichtigkeit 

Dabei wird – wie bereits erwähnt – auch schon einmal der Leuchtgegenstand selbst zum Hingucker. In dieser Hinsicht schöpft man 2023 übrigens aus dem Vollen. Nicht wenige Arbeiten aus den Ateliers der Top-Designer:innen haben nämlich das Zeug, zu Ikonen zu werden. Vor allem, weil die Jahrgangsbesten unter den Lampen den Spagat zwischen Skulptur, Technik und Sinnlichkeit schaffen. Wie etwa die modulare Beleuchtungs-skulptur »Liiu«, die das niederländische Designerduo Vantot für Luceplan umgesetzt hat. Die ausgefeilte Konstruktion besteht aus Metallseilen, die an der Decke montiert sind und mit einem Gegengewicht in Spannung gehalten werden. Zwischen den Seilen ist eine wahre Armada an kleinen Lampen-schirmen eingewoben, die nicht nur für ein weiches Licht sorgen, sondern auch für spannende Effekte, die zwischen Schwere-losigkeit und Gleichgewicht beheimatet sind. Überhaupt scheint sich die Italo-Brand Luceplan heuer sehr gerne zwischen die Stühle zu setzen, wenn es ums Kreieren optischer Spannung geht. Mit »Millimetro«, eine Arbeit des Norwegers Daniel Rybakken, schickt man etwa eine Lampe ins Rennen, die sich nicht recht entscheiden mag, ob sie Deckenstrahler oder doch lieber Pendelleuchte ist und die diese Frage ebenso leicht wie schwerelos in den Raum wirft, um sie unbeanwortet zu lassen. Das Designer:innen-Team beim Münchner Label Ingo Maurer weiß da genauer, was es will. Man wandelt am Skulpturpfad und scheint mit der Hängeleuchte »Signature« einen alles andere denn spaßbefreiten Lösungsansatz gegen allzu viel Licht-Komplexität zu zelebrieren. Die Lampe aus Aluminium zollt nämlich dem Prinzip Zufall und der unkontrollierten Formbildung eines klassischen Kabelwirrwarrs Tribut. Die Pointe dabei: In Kombination mit mehreren Signature-Leuchten wird die Lampe zu einer Art großem Kabelknäuel und der clever unauffällig gehaltene kleine Schirm lässt sich dabei durch einfaches Verschieben von einem Downlight in ein Uplight verwandeln. Denn man hat erkannt: Flexibilität bringt immer Licht ins Dunkel, wenn’s einmal zu komplex wird.

Kabelsalat Tolle Arbeit aus dem Hause Ingo Maurer. Die »Signature« imitiert ein Kabelwirrwarr und überzeugt mit drehbarem Lampenschirm, der je nach Perspektive als Kegel oder Rechteck
erscheint. Minimalistische Lichtkunst mit Witz. 

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Flagge bekennen Benannt nach der US-Punkband »Black Flag« hat Konstantin Grcic eine erweiterbare Wandlampe kreiert, die sich auch kompakt gibt und sowohl direktes als auch indirektes Licht spendet. This is hardcore! 

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Lichtarchitektur Aus dem Hause der Schweizer Architektur-Weltstars Herzog & de Meuron kommt die Lampe »Dreispitz«, die vertikal oder horizontal aufgehängt, immer ein bisschen nach Toblerone aussieht.

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Ideallinie Die Serie »Dot Line« ist aus gebürstetem, schwarz eloxiertem Aluminium gefertigt und lässt im Badezimmer einen grafischen Geist wehen. So macht Duschen Spaß.

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