LIVING SALON: Wie sieht die perfekte Küche aus?
Sie sind mal winzig, mal riesig, schauen mal modern aus, mal traditionell, kosten mal 5.000 Euro und mal eine halbe Million. Doch alle guten Küchen haben eine Gemeinsamkeit: Im Idealfall sind sie nicht nur funktionale Kochstelle, sondern auch zentraler Sozialisationsraum für die ganze Familie. Ein Gespräch mit Architektin Tiina Parkkinen, Bauträger Hans Jörg Ulreich und Küchenbauer Martin Steininger. Guten Appetit!
14 . März 2022 - By Wojciech Czaja
LiVING:Haben Sie ein Lieblingsgericht, das Sie am liebsten zubereiten?
Martin Steininger: Bei mir sind es Spaghetti Carbonara, aber ich gestehe, nicht die original italienische Variante, sondern kinderbedingt die österreichische Version mit Obers – dafür aber mit selbst gemachten Nudeln!
Tiina Parkkinen: Ich koche viel und gerne, am liebsten französische Küche und Fisch in allen Varianten.
Hans Jörg Ulreich: Das Einzige, was ich koche, sind Tofusticks auf Erdnuss-Sauce. Ansonsten bin ich der schlechteste Koch in der ganzen Familie.
Und wie sieht die eigene Küche aus, in der Sie kochen oder auch nicht?
Ulreich: Wir haben eine große Wohnküche mit langer Küchenzeile und einer Kücheninsel zum Anrichten. Daneben steht ein runder Esstisch.
Parkkinen: Wir haben eine offene Küche, die zwar modern gestaltet ist, von der Struktur aber eine Art Bauernküche ist – 30 Quadratmeter groß mit einem riesigen Esstisch für zwölf Personen und allerhand soziales Leben auf allen Ebenen.
Steininger: Auch bei uns hat die Küche einen hohen sozialen Stellenwert. Der Koch- und Essbereich ist circa 60 Quadratmeter groß und sehr hoch. Ich würde sagen: Bei uns ist die Küche der zentrale Kommunikationsraum.
Werfen wir einen Blick in die Geschichte: Seit wann gibt es Küchen im Wohnbereich? Und inwiefern haben sich der Stellenwert und die Gestaltung der Küche in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten verändert?
Parkkinen: Viele unserer heutigen Wohngewohnheiten gehen auf den italienischen Architekten und Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti im 15. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit aber war die Küche noch ein großer Backstage-Raum am Rande des Hauses. Geheizt und gekocht wurde damals mit einem Holzkamin, man durfte im Haus allerdings nichts davon riechen. Erst im 18. und 19. Jahrhundert – und da vor allem im Biedermeier und mit der Entwicklung des Herdes im heutigen Sinne – ist die Küche stärker ins Zentrum des Hauses gerückt und wurde somit zu einem integralen Bestandteil des Wohnens. Das war der Shift von der Kochwerkstatt zum sozialen Kommunikationsraum.
Wie war die Küche denn damals eingerichtet?
Steininger: Die beiden klassischen Küchenmöbel zu Beginn waren der Kamin und ein großer Tisch im Zentrum der Küche, der als Abstellfläche und Arbeitstisch genutzt wurde. Die große Veränderung in der Einrichtung war dann der Beginn der Einbauküche von Margarete Schütte-Lihotzky. Sie war die Erste, die das Kochen analysiert und in Funktionsbestandteile zerlegt hat. Sie hat sich mit jedem einzelnen Arbeitsschritt befasst und hat dafür jeweils die Ideallösung entwickelt. Die Frankfurter Küche aus dem Jahr 1926 ist so etwas wie die Summe idealer Lösungen. Damit hat sich alles verändert.
Parkkinen: Die Küche hat sich ja auch sehr bewährt. Man darf nicht vergessen, dass sie im Frankfurter Wohnbau damals mehr als 12.000-mal eingebaut wurde. Das war ein Erfolgsmodell!