© Ela Angerer

Für Kund:innen kreiert sie farbenfrohe Lampen und gießt ihre Porträts in Bronze. Die Arbeiten der Bildhauerin Marina Blanca überschreiten die Grenzen zwischen Kunst und Design. Genau wie das Interior ihrer prachtvollen Wiener Altbauwohnung, in die auch eine Werkstatt integriert ist. Mit LIVING sprach die Künstlerin über spielerische Formen und darüber, warum Perfektion nicht wesentlich ist.

12 . Dezember 2022 - By Florentina Welley

Ein Altstadtpalais im vierten Wiener Gemeindebezirk, bei dem man beim Zugang durch das Haustor einen Blick in einen herrlichen Park erhascht, avancierte zum Sehnsuchtsort der Hamburgerin Marina Blanca. Hier, im ersten Stock, hat sich die Künstlerin in der Beletage ein echtes Kunstreich erschaffen. Ein Reich mit Stuck­decken, alten Sternenparketten und riesigen Altbaufenstern, durch die die Sonne lacht und ihre zahlreichen Kunstobjekte rundum zum Leuchten bringt. Empfangen werden die Besucher:innen im Entree, das nach Diptyque-Kerzen duftet, und von einem Fenster zum Garten, das aktuell den herbstlichen Blätterwirbel draußen umrahmt. Flankiert von ihren eigens kreierten verspielten Leuchtobjekten und Vasen aus bunten Murano-Gläsern, die sich dem Gast in deckenhohen Regalen von Designer Konrad Friedel präsentieren, wirkt der Raum wie eine Kunstgalerie.

Blumenhaft Marina Blancas bunte Leuchtobjekte mit den blumenhaften Seidenschirmen haben Charakter. Das Unperfekte daran macht ihren Charme aus. marinablanca.at

© Ela Angerer

Aus Murano-Glas und bunten Stoffen werden verspielte Kunstobjekte

Rechts öffnet sich der Salon zu einer Art Wohnbibliothek, links zu einer Wohnküche. Man merkt, dass die Bewohnerin kaum Grenzen zwischen Wohn- und Arbeitsbereich zieht. »Dieses Zimmer ist für mich so eine Art Durchgang und verbindet Wohnung, Atelier und Werkstätte zu einem Ganzen. Ich kann hier immer variieren, alles ausräumen oder wieder hineinstellen«, erklärt die Künstlerin die Wohnküche, an die, unterbrochen von einem kleinen Raum mit Lagerregalen, die grobe Werkstätte anschließt. Auch diese ist hell, das Fenster neben Brennofen, Schweißbrenner und allen Arten von Meißel und Hammer bietet einen Blick auf Baumkronen und Garten. Blanca hat einen wunderbaren Stilmix aus Wohn- und Kunstobjekten geschaffen. Welches Teil sie besonders mag, will LIVING wissen. »Also hier in der Wohnküche sind es zum Beispiel meine Rokokokerzenleuchter. Ich habe sie geschenkt bekommen. Sie brechen ein wenig die Strenge der Designküche aus MDF-Platten und der Kücheninsel in Bentonit von Architekt Walter Kirpicsenko. Und die Regale in Pastellblau und Rot von Montana machen den Übergang zur groben Werkstätte wohnlicher«, erklärt sie überzeugend, während wir für das Gespräch in der Wohnküche an einem großen Holztisch mit vielen bunten Kerzenleuchtern aus Glaskugeln Platz nehmen. Ein violettes Wildledersofa von George Smith und eine Fotografie des »Südbahnhotels« von Yvonne Oswald optimieren die Harmonie des Raums.

Schausalon Im großen Salon-Atelier werden die Objekte auf Podesten, Tischen, Rollwagen und dem offenen Kamin gekonnt inszeniert. Der Salon führt in die Bibliothek.

© Ela Angerer

LIVINGSie arbeiten im künstlerischen wie auch im Interior-Bereich und designen Lampen und Vasen. Wo setzen Sie die Grenze zwischen Design und Kunstobjekt?

MARINA BLANCA Ja, das ist eine schwierige Art, wie ich arbeite, weil ich mich im Grenzbereich zwischen angewandter Kunst und Design bewege. Aber richtiges Design wird es bei mir nie. Denn bei Design habe ich das Gefühl, es sollte perfekt sein, und das kann und will ich eigentlich nicht. Ich bin zu ­unpräzise für Design. Ich scheitere daran, weil es perfekt sein muss. Und ich wollte im Leben nie perfekt sein. Ich will mit meinen Objekten eine Lebendigkeit erschaffen.

Zwischenreich Die Kücheninsel in Bentonit mit den bunten Rokoko-Kerzenleuchtern fungiert als Schnittstelle zwischen Küchen- und Wohnbereich und dem Eintritt in die grobe Werkstatt.

© Ela Angerer

Nach welchen Kriterien gehen Sie vor, wenn Sie an Ihren Kunstobjekten arbeiten?

Gerade das ist gar nicht so leicht. Ich kann nicht nach einem Plan vorgehen. Das klappt nicht wirklich. So würde ich sagen, die Grenze liegt beim Handwerklichen. Design hat einen Anspruch von Funktionalität und Perfektion, den meine Kreationen nicht haben. Meine Lampen wackeln sogar manchmal. Ich habe nie gelernt, einen perfekten Lampenschirm zu bauen, sondern benutze Stoff und Stoffhärter und versuche, damit eine Ergänzung zu einem Objekt zu bewerkstelligen. Dann fange ich mit einer Idee an. Manchmal, wenn ich das Stück fertig gemacht habe, erkenne ich, dass noch etwas fehlt, und mache weiter. Deshalb sehe ich meine Arbeiten primär als Objekte oder Skulpturen.

Sie verwenden sehr viel Glas bei Ihren Objekten. Woher beziehen Sie das und wie entstehen die ­Formen?

Ich arbeite in Murano mit der Glasbläserei Cenedese zusammen. Ich kontaktiere sie ­persönlich mit einer Vorstellung von mir, sage, was ich machen möchte, welche Form mir vorschwebt. Da Glas an sich schon so perfekt ist, betone ich immer wieder, dass es in der Produktion mangelhaft werden soll. Ich möchte, dass der Glasbläser bei seiner Arbeit an Grenzen geht, dass er das Glas entweder zu heiß brennt, sodass es implodiert, oder dass er es gegen etwas drückt. So entstehen Fehler und damit etwas Spielerisches. Das macht mir Spaß. Nur die Glaskugeln für meine ­Lampensockel bestelle ich fertig.

Hausbar Die Barockkonsole mit Marmorplatte stammt aus Familienbesitz. Manchmal fungiert sie als Hausbar, manchmal als Podest für ihre Objekte.

© Ela Angerer
»Ich scheitere immer an der Perfektion. Ich möchte das Intuitive ausdrücken, genau das ist der Unterschied zu Design.« – MARINA BLANCA, Künstlerin

Spielen Sie Wohntrends in Ihre Objekte mit ein, haben Sie Lieblingsfarben, die Sie gerne verwenden?

Man ist nie ganz unbeeinflusst von seinem kulturellen Umfeld. Ich glaube, das spielt eine Rolle, warum man plötzlich Lust auf Knalliges oder weniger Knalliges hat. Das ändert sich immer wieder. Ich habe im Moment ganz gerne leuchtende Farben, wie die Kombinationen von Blau und Lila oder Grau und Blau. Vielleicht sind das ja auch gerade Farbtrends.

Wie entstehen die Formen Ihrer Skulpturen, orientieren Sie sich auch an Vorbildern?

Mich interessieren letztlich immer wieder Formen, die in der Natur vorkommen, so wie menschliche Körper, aber auch Pflanzen. Durch diesen figurativen Ansatz bekommen meine Objekte und Vasen einen Charakter, den ich zum Beispiel durch die Lampen­schirme vervollständige. Als Bildhauerin ­bewundere ich etwa Tony Cragg. Er hat diesen figurativen Ansatz vom menschlichen Körper in seiner natürlichen Umgebung, der auch für mich zunehmend wichtiger wird. Auch von Reisen nehme ich immer etwas mit, wie die Farbenpracht Marokkos zum Bespiel. Einige meiner Objekte haben fast afrikanischen ­Charakter, etwa die selbst gebrannte Boden­schale, in der ich mein Kaminholz aufbewahre. Ich habe sie gestückelt und sie wirkt sehr unperfekt. Ich verbinde Reisen immer mit meiner Arbeit – etwa nach Japan, um dort mit Ton zu arbeiten und um in Hokkaido den Millennium Forest anzusehen.

Wie würden Sie Ihren künstlerischen Stil bei Vasen und Leuchtobjekten beschreiben, mit welchen Materialien arbeiten Sie gerne?

Ich variiere spielerische und kompakte Formen, verwende verschiedenen Materialien, wie auch Bronze. Daraus entstehen Objekte, wie etwa eine umgedrehte Vase, die ich zum Beispiel mit Acryl bemale. Ich habe auch schon Bronze­porträts bemalt. Nur das Porträt von Rudolf Buchbinder bleibt pure Bronze, da es eine ­klassische Auftragsarbeit ist. Ich arbeite auch gerne mit Ton – damit kann man sehr ­erfinderisch sein.

Wie vertreiben Sie Ihre Objekte? Über eine Galerie oder kommen Kund:innen direkt zu Ihnen?

Früher hatte ich Teresa Hohenlohe als Galeristin, jetzt versuche ich selbst, auf Social Media und im Internet präsent zu sein. Die Social-Media-Kanäle sind in den heutigen Zeiten sehr wichtig, denn hat man sie nicht, überkommt einen das Gefühl, gar nicht existent zu sein. Meine Kund:innen suchen meine ­Kunstobjekte nach Originalität aus und ­kommen dafür direkt in meinen Atelier-Salon. Dort präsentiere ich sie gerne wie in einer richtigen Inszenierung.

Tonkunst Marina Blanca hat in ihrer Werkstatt auch einen Brennofen. Manchmal bemalt sie die Büsten aus Ton.

© Ela Angerer

Haben Sie Ziele, die Sie in Zukunft verwirklichen möchten?

Ja, ich bewundere den britischen Künstler Grayson Perry. Er bemalt Ton, das ist auch eines meiner Ziele. Damit möchte ich jetzt anfangen, auch mehr mit Malerei arbeiten.

Zurück in Ihren Atelier-Salon: Der ist ein ­bunter Mix aus Möbeln und Kunstobjekten. Mit welchen Stücken verbindet Sie eine besondere Beziehung?

Das gibt es einige! Da ist mein Barocksekretär mit Intarsien und auch die Barockkonsole – beides stammt aus Familienbesitz. Auch die formalen Küchenelemente von Walter Kirpicsenko liebe ich, meinen goldenen Holzbuddha aus Thailand und meine Kunst von Spoerri, Jakob Gasteiger oder Sol LeWitt.

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