MEISTER:INNEN DER ARCHITEKTUR: ANNA HERINGER
Die bayerische Architektin Anna Heringer hat mit nur 30 Jahren den renommierten Aga Khan Award gewonnen. Seit damals schlägt ihr Herz für Lehmbau, Bambushäuser und nachhaltige soziale Initiativen, mit denen Frauen in Bangladesch ermächtigt und finanziell gestärkt werden können.
21 . September 2022 - By Wojciech Czaja
LIVING Vor einigen Jahren haben Sie in einem Dokumentarfilm unter dem Titel »Die Zukunft ist besser als ihr Ruf« mitgewirkt. Welchen Ruf hat denn die Zukunft?
ANNA Heringer Im Moment ist die Zukunft schon noch wolkig und bedeckt, aber ich bin eine sture Optimistin und Idealistin. Den Kopf in den Sand stecken bringt nichts. Wir müssen alle Kräfte mobilisieren. Und wenn ich mir Initiativen wie etwa »Fridays for Future« anschaue, dann wird meine Hoffnung bestätigt. In dieser Generation ist verdammt viel Energie drin, da bewegt sich schon was!
Seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit modernen, zeitgenössischen Potenzialen des traditionellen Baustoffs Lehm. Wie kam es dazu?
Nach dem Abitur war ich ein Jahr lang in Bangladesch und habe dort mit einer lokalen NGO zusammengearbeitet. Es war sehr spannend, die Welt plötzlich aus einer anderen Perspektive zu sehen. Mich hat fasziniert, wie man in Bangladesch in lokalen materiellen geschlossenen Kreisläufen denkt, wie Dörfer aus Lehm und Bambus errichtet werden, die am Ende ihres Lebenszyklus verfallen und sich wieder der Mutter Erde zurückgeben. Das ist Nachhaltigkeit!
Klassische Entwicklungshilfeprojekte sind meist funktional. Schönheit spielt dabei keine Rolle.
Bei der klassischen Entwicklungshilfe handelt es sich meist um reine, wenig inspirierte Ingenieurbauten. Dann hört man Sätze wie: »Wer braucht schon Schönheit, wenn es um das nackte Überleben geht?« Das ist für mich purer Zynismus. Auch Menschen in Armut sehnen sich nach Schönheit und Respekt – und das merkt man in Bangladesch beispielsweise bei den Möbeln, bei der Kleidung, beim Schmuck. Die Leute haben eine Leidenschaft für Gestaltung! Aus diesem Grund habe ich beschlossen, etwas verändern zu wollen und Schönheit und Funktionalität miteinander zu vereinen. Also habe ich -begonnen, Architektur zu studieren.