Micro Homes: Was Mikro-Wohnungen alles können
Alternative Wohnideen sind gefragt. Mikrowohnungen zählen zu den Antworten. Sinn machen sie allerdings nur, wenn die Konzepte gut durchdacht sind und es Zusatzangebote an Flächen und Services gibt. Viele Anbieter:innen konzentrieren sich daher auf eindeutige Zielgruppen. Gut so!
04 . November 2022 - By Heimo Rollett
Drei wesentliche Gründe gibt es für den Trend des Micro Living. Erstens gibt es immer mehr Einpersonenhaushalte. Zweitens gibt man sich in einer Gesellschaft des Überflusses gerne mit dem Wesentlichen zufrieden. Ausmisten ist angesagt, teilen statt besitzen, weniger ist mehr. Der Wohnwagon ist eine Reaktion darauf – auch auf den weiteren Trend, mobil zu bleiben. Der dritte Punkt ist banal: Kleinere Flächen kosten weniger Miete.
Günstiger, wenngleich teurer
»Bei der Wohnungssuche sind in der Regel die monatliche Gesamtbelastung und der absolute Kaufpreis einer Wohnung die wichtigsten Kennzahlen, wobei sensible Schwellenwerte zu berücksichtigen sind«, weiß Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen. Wohnungen mit kleineren Flächen sind damit in Summe leistbarer im Vergleich zu größeren Einheiten. Auf die Quadratmeterfläche kalkuliert, seien kleinere Apartments jedoch tendenziell teurer, was beispielsweise auf höhere Herstellungskosten zurückzuführen ist. Aber auch, weil sie mehr können, was am Trend des Co-Livings deutlich wird. Hier wird überhaupt nur in kleinsten Zimmern oder Miniapartments gewohnt, gelebt wird in den Gemeinschaftsräumen und gearbeitet oftmals auch in den angeschlossenen – mitunter exklusiven – Co-Working-Flächen. »Was wir allgemein wahrgenommen haben, ist, dass Gemeinschaftsräume besonders durch eine jüngere Bewohnerschaft sehr geschätzt und genutzt werden. Allen voran eingerichtete Co-Working-Spaces mit Internet«, erzählt Schunker.
Das ist auch die Gruppe jener, die als digitale Nomad:innen oder einfach nur als modern Arbeitende mal hier ein Projekt betreuen, dann mit einem anderen Team in einer anderen Stadt den nächsten Job erledigen. Da stört eine große Wohnung, um die man sich kümmern muss, nur. Marken wie Zoku bieten ein Zuhause auf Zeit, hochmoderne und entspannte Arbeitsplätze im selben Haus und eine richtig gut betreute Gemeinschaft. Die Community-Manager sind dabei Kumpels und Helfer:innen – selbst wenn es darum geht, vielleicht doch eine Wohnung in der Stadt zu finden.
»Auf einer begrenzten Fläche mehr Wohneinheiten und damit weiteren benötigten Wohnraum zu schaffen, ist mit sozial-ökologischen Gedanken verbunden.« – Karina Schunker, EHL Wohnen
Jung und alt
Zwei weitere Gruppen bieten sich perfekt für das Leben auf wenig Raum an: Student:innen und Senior:innen. Erstere werden von mittlerweile vielen internationalen Anbieter:innen gelockt, zu einem meist stattlichen Pauschal-preis bekommen sie die Räume und die komplette Infrastruktur – also z. B. Internet, Reini-gung, Fitnesscenter, Aktivitätsprogramm und (jetzt besonders spannend) die Betriebskosten. Ein 16 Quadratmeter großes Studio bei District Living im Wiener DC Tower 3 kostet da schon um die 800 Euro Miete pro Monat. Eine ähnlich gute Aussicht verspricht Youniq Living im TrIIIple. Nicht so hoch gebaut, dafür gleich neben der Wiener Wirtschaftsuni liegt das Milestone. Sie alle haben das gleiche Geschäftsmodell: Die Immobilien werden entwickelt und dann mit dem Konzept des studentischen Mikrowohnens an eine:n Investor:in verkauft. Das klappt derzeit noch recht gut, der Berater Savills mahnt aber zur Vorsicht und führt die Digitalisierung der Lehre und die allgemeine Trendumkehr des Investmentzyklus ins Treffen.
Demografisch abgesichert ist hingegen die Überalterung unserer Gesellschaft. Hier hinken wir in Österreich brutal hinterher, dabei eignen sich für Silver Ager Mikro- wohnungen besonders gut. Schon jetzt fehlen 80.000 betreute Wohneinheiten, bis 2030 müssten 101.500 Wohnungen zum Bestand dazukommen, um den Bedarf zu decken, rechnet man bei Silver Living, einem Anbieter von frei finanziertem Senior:innenwohnen, vor. Dessen Konzept funktioniert ähnlich wie bei den Student:innen, nur halt auf die Oldies abgestimmt. Ein Markt von 17,2 Milliarden Euro – so hoch schätzt Silver Living die nötigen Investitionen. In den kommenden Jahren werde sich das Senior:innenwohnproblem durch die »Babyboomer-Generation« in der Gesellschaft weiter verschärfen.
Haben und Teilen
»Auf einer begrenzten Fläche mehr Wohneinheiten und damit weiteren benötigten Wohnraum zu schaffen, ist mit sozial-ökologischen Gedanken verbunden«, erklärt Wohnexpertin Karina Schunker einen Vorteil der kleineren Einheiten. »Ein gut geschnittener Wohnungsgrundriss wird bei einer Mikrowohnung vorausgesetzt, damit sich die Bewohner:innen wohlfühlen und somit die kleinere Quadratmeterfläche gar nicht als solche wahrgenommen wird.« Zusätzliche Gemeinschaftsräume helfen ebenso, meint Schunker und verweist auf Projekte wie The Metropolitan und auf das Wohnquartier Am Park von der Sozialbau und der ARE, wo sogar quartiersübergreifende Gemeinschaftsflächen mit einem einheitlichen Buchungssystem entstanden sind. In genau solchen Systemen könnte auch die Zukunft von Wohnen allgemein liegen. Die wesentlichen Funktionen des Wohnens bleiben intim und zu Hause, Arbeitsräume, BBQ-Terrassen, Musikräume, Pools und Heimkinos werden geteilt. Das reduziert die Fläche, kann aber ein Maximum an Spaß bringen.