Neue Architektur in Afrika: Ein Riese erwacht
In der Kunstwelt sind Afrikas junge Szenen längst präsent. Jetzt zieht die Architektur nach. Dabei spielen Kultur und Klima eine große Rolle, und genau diese Faktoren sind auch bei Investments auf dem großen Kontinent zu beachten.
24 . Juni 2023 - By Maik Novotny
Lesley Lokko, ghanaisch-schottische Architektin, ist Kuratorin der Architekturbiennale Venedig 2023. Diébédo Francis Kéré, dem deutsch-burkinischen Architekten, wurde 2022 der Pritzker-Preis verliehen. Keineswegs nur aus gönnerhaften Gesten, sondern in Anerkennung der Dynamik, der Qualität und des kulturellen Reichtums afrikanischer Staaten und Regionen. In der Kunst sind die afrikanischen Stars und Szenen schon länger auf dem Vormarsch, aber die Architekturwelt holt auf. Der ghanaische Brite David Adjaye ist längst in die erste Liga aufgestiegen, dahinter warten schon das atelier masōmī von Mariam Issoufou Kamara aus Niger, das Cave_bureau aus Kenia, die Koffi & Diabaté Architectes aus der Elfenbeinküste und viele andere mehr.
Header Bild: Eine verfallene Moschee in Niger wurde zum Kultur- und Bildungszentrum mit Bibliothek. Auch der Neubau wurde, geleitet von Architektin Mariam Issoufou Kamara (atelier masōmī), zum Gemeinschaftsprojekt, 2017 gewann das Projekt den LafargeHolcim Award for Middle East Africa in Gold. ateliermasomi.com
NEUE METROPOLEN
Parallel dazu entstehen initiiert von Staats- und Investor:innenseite quer über den Kontinent prestigeträchtige Bauten und Metropolen wie die noch namenlose neue ägyptische Hauptstadt bei Kairo, Nigerias Hauptstadt Abuja, die Bibliothek von Alexandria oder Megakirchen in Nigeria. Das stärkt den nationalen Stolz und sorgt für globale Aufmerksamkeit – die neuen Büroviertel sind aber dadurch architektonisch oft so austauschbar wie die Business Districts von Seoul oder Schanghai. Bedauerlich, denn der Kontinent, der dreimal so groß ist wie Europa, umfasst -unterschiedlichste Kulturen. Südafrika, Ägypten oder der Maghreb sind jeweils eine Welt für sich, und einen besonders starken Boom verzeichnen die Staaten an der westafrikanischen Küste zwischen Monrovia und Lagos. Das spürt man auch auf dem Wohnungsmarkt. Wie der aktuelle Afrika-Report von Knight Frank berichtet, steigen die Wohnkosten in vielen Städten rapide an – in Lagos allein 22 Prozent in drei Jahren – und daher wandern viele in die Vororte ab. »Westafrika wächst rapide«, sagt auch Baerbel Mueller, Dekanin an der Universität für angewandte Kunst Wien und als Architektin seit 2002 in Westafrika tätig, wo sie unter anderem das Nubuke Extended Cultural -Center in Accra realisierte. »Die Bevölkerung ist sehr jung, die Urbanisierung von Städten wie Accra oder Lagos ist enorm, ihre Ausbreitungen reichen weit in die Umgebung hinein. Es hat sich eine neue städtische Mittelschicht entwickelt, die es vorher nicht gab. Viele davon sind Ghanaer in der Diaspora, mit britischem Pass, die in London ihr Geld verdienen und dann in Ghana investieren. Es gibt neues Kapital, und dabei geht die Schere zwischen Reich und Am-Existenzminimum-Lebend immer weiter auf. Die Immobilienpreise in den besseren Stadtteilen Accras entsprechen heute denen des ersten Bezirks in Wien.«