Pritzker-Preisträger 2023: David Chipperfield
»Die Architektur verändert sich«: Ein höflicher Brite, dessen noble Zurückhaltung weltweit Erfolg hat. Viele seiner besten Bauten sind Museen, viele stehen in Deutschland, in Athen baut er bald sein nächstes. Das LIVING-Interview über seine kulturellen Wurzeln und seine soziale Mission.
11 . Mai 2023 - By Maik Novotny
Auch im Moment seines größten Triumphes gab sich der britische Gentleman bescheiden. Im Interview mit dem »Guardian« bekundete der soeben – nachdem er jahrelang als einer der Topfavoriten gehandelt wurde – mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnete Architekt David Chipperfield, er sei kein besonders herausragender Student gewesen und auch zu Beginn seiner Karriere habe er »nur so getan, als ob«. Denn in seinem Heimatland gab es in den späten 1980er-Jahren wenig zu tun, weswegen er eineinhalb Jahre lang in Japan Shop-Interieurs für Issey Miyake und Co. designte. Damit, so der 69-Jährige, konnte man zu Hause in Europa relativ leicht den Eindruck erwecken, man habe es international geschafft und habe tatsächlich ein richtiges Büro mit Mitarbeiter:innen.
Schwerpunkt Berlin
Die Karriere nahm Fahrt auf und eilte weg von den kleinen Shops, hin zu den großen Museen auf mehreren Kontinenten. Längst sind David Chipperfield Architects ein richtiges Büro – inzwischen an den vier Standorten London, Berlin, Shanghai und Mailand. Unter diesen ist der Berliner zweifellos der einflussreichste und entwurfsstärkste, kein Wunder, denn hier stehen einige seiner wichtigsten Bauten, darunter die Museumsinsel mit seinem wohl besten Werk, dem feinfühlig restaurierten Neuen Museum. So präsent ist Chipperfield in Deutschland, dass ihn Angela Merkel 2013 dem damaligen britischen Premierminister David Cameron bei dessen Berlin-Besuch als »einen unserer berühmtesten deutschen Architekten« vorstellte.