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Saudi Arabien: Projekte für die Zukunft

Auch abseits des Prestigeprojekts NEOM setzt Saudi-Arabien auf moderne Architektur und komplett neue Stadtteile. Tradition findet sich nur subtil wieder, aber alle Projekte sollen besonders nachhaltig sein – auch sozial.

05 . Juli 2023 - By Heimo Rollett

Der Geruch von frisch gebrühtem arabischem Kaffee schwebt um jede Ecke. Er vermischt sich mit einer undefinierbaren Mischung aus Minze, Kreuzkümmel, Zimt und Kardamom. Während die Nase noch die Nuancen zu sortieren versucht, erwecken die feingliedrigen, wunderschönen Holzerker, die hier von den Häusern in die Gassen auskragen, die optische Wahrnehmung. Wäre da nicht immer der politische Beigeschmack – die Altstadt von Dschidda mit ihrer geballten Tradition und auch das geschäftige Riad und überhaupt ganz Saudi-Arabien wären eine Destination voll wunderbarer Ästhetik. Wir würden über die traditionellen Belüftungstechniken staunen und wären verblüfft über das Baumaterial aus Korallenkalkstein und die Wucht der feinen Verzierungen.

Neues Image von oben

All das soll aber gar nicht so sehr das Image des Königreichs prägen, vielmehr setzt der absolute Machtstaat auf Themen, die Zukunft zeigen sollen. Das spiegelt sich besonders stark in den Architekturprojekten wider. Mukaab etwa soll das Zentrum eines neuen Stadtteils von Riad werden, es hat daher Leuchtturmwirkung und ist alles andere als zurückhaltend. Das würfelartige Gebäude hat eine Kanten-länge von 400 Metern und beherbergt zwei Millionen Quadratmeter Nutzfläche. Aufgrund seiner Ähnlichkeit zur Kaaba in Mekka wurde es aber auch im Land selbst kritisiert. Wo groß gebaut wird, dort findet man auch die Namen internationaler Architekturstars. Foster + Partners plante bekannterweise den Flughafen King Salman in Riad. Obwohl sich Norman Foster aus dem NEOM-Projekt nach Bekanntwerden der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul zurückgezogen hat, bleibt er beim Flughafen mit an Bord – so wie viele andere, die das neue Saudi-Arabien mit ihren Entwürfen prägen wollen. Auch die großen Hotelketten wittern ein neues Geschäft. Brandneu die -Ankündigung der Aman-Gruppe, die nahe Riad ein Aman-Hotel mit 78 Zimmern, bis zu 34  Residenzen und ein richtig großes Spa bauen will. Nach der erfolgreichen Eröffnung von »Aman New York« wurde Denniston Architects beauftragt, die Erfahrung von Jean-Michel Gathy in das Projekt einzubringen, der die Designsprache von Aman mit der lokalen Kultur, dem Erbe und der Landschaft der Destination verbinden soll. Eröffnet soll voraussichtlich 2026 werden – zum gleichen Zeitpunkt wie »Janu Diriyah«, ein Objekt der Aman-Schwestermarke, ebenfalls in der Nähe von Riad. Ob touristische Immobilien, Büros oder Wohn-bauten – der architektonische Streifzug durch die aktuell geplanten Projekte zeigt jedenfalls eines: Hier wird geklotzt und nicht gekleckert.

Mukaab Im Februar gab Kronprinz Mohammed bin -Salman den Start dieses Megaprojekts bekannt. Das Ziel: das größte moderne Stadtzentrum der Welt zu entwickeln, als neuen Mittelpunkt der Hauptstadt Riad. Man betont die Nachhaltigkeit des Stadtteils namens New Murabba (Grünflächen, Fuß- und Radwege etc.), ein ordentliches Museum, eine Hochschule für Technologie und Design, ein Mehrzwecktheater und mehr als 80 Unterhaltungs- und Kulturveranstaltungen soll es auf 19 Quadratkilometern geben. Der Quader selbst (genannt Mukaab) stellt die Landmark des neuen Bezirks dar. Höhe, Breite, Länge: 400 Meter. Inspiriert vom modernen Najdi--Architekturstil wird Mukaab das weltweit erste immersive Reiseziel sein, das durch digitale und virtuelle Technologie mit modernster Holografie ein Erlebnis für die Besucher:innen schaffen will. Wie auch immer das konkret aussehen wird, zwei Millionen Quadratmeter Fläche stehen allein in diesem Bauwerk für Büros, Einzelhandel, Kultur und Tourismusattraktionen zu Verfügung.

Misk Foundation Headquarters Die Mohammed bin Salman Foundation, kurz »Misk«, hat einen Wettbewerb für ihren neuen Hauptsitz ausgeschrieben, der eine »Nonprofit City« sein soll. Gewonnen hat das australische Architekturbüro Conrad Gargett. Im Mittelpunkt des Entwurfs steht ein öffentlich zugänglicher zentraler Versammlungsraum. Dieser landschaftlich gestaltete Raum namens »Garden Court« soll Fußgänger:innen in das Gebäude locken und ihnen die Möglichkeit geben, das Mikroklima des intelligent überdachten Gartens zu erleben. Die Büroräume sind um diesen zentralen Garten herum angeordnet – neue Arbeitswelten also auch in Saudi-Arabien.

Jeddah Central Museum Was für eine Umnutzung! Der britische Designer und Architekt Thomas Heatherwick verwandelt eine ehemalige Entsalzungsanlage am Roten Meer in das Jeddah Central Museum. Es soll aber viel mehr als nur ein Museum sein, ein ganzer Distrikt für Kreative und Künstler:innen sei geplant, heißt es. Produktionsräume wie Studios und Ateliers, aber auch öffentliche Ausstellungen und groß angelegte Auftragsarbeiten sollen hier ermöglicht werden. Die Hauptturbinenhalle verwandelt sich in einen Ausstellungsraum, die alte Entsalzungsanlage in einen Souk für Handwerker und Künstler. Bleibt zu hoffen, dass es eine lebendige Vielfalt geben wird und das Projekt nicht so endet wie das ebenfalls von Heatherwick konzipierte Vessel in New York City.

© Newmurabba
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