Selber machen oder planen lassen?
Einerseits gibt es einen Trend zu Handwerk, do it yourself und Kreislaufwirtschaft. Andererseits werden die Planungsprozesse immer komplexer und verlangen nach professioneller Begleitung. Über den Spagat zwischen Selbstbau und Profiarbeit sprechen Architektin Ulrike Schartner, Interior-Designerin Alexandra Spitzer und Wohnbauträgerin Senka Nikolic.
16 . November 2022 - By Wojciech Czaja
LIVINGSelber machen: Worin sind Sie so richtig gut?
Senka Nikolic Ich habe einen grünen Daumen und liebe es, Pflanzen und Nutzpflanzen
anzubauen. Ich habe im Burgenland einen kleinen Bioacker, den ich bewirtschafte.
Ulrike Schartner Ich bin gut in textiler Fertigung. Ich häkle und stricke, und zwar am liebsten Teppiche aus alter Wolle und gebrauchten Textilien.
Alexandra Spitzer Ich habe ein Herz für Tiere. Unter anderem habe ich eine Kuh, die bei einem
Biobauern eingestellt ist und mit der wir manchmal über die Almen wandern.
Und was beherrschen Sie gar nicht? Wo sind Sie auf fremde Hilfe angewiesen?
Schartner Installateur- und Elektrikerarbeiten.
Nikolic Computer und EDV.
Spitzer Ich bin leider eine ziemlich schlechte Köchin.
Bezogen auf das Bauen und Wohnen: Sind wir Österreicher:innen tendenziell selbstständige Häuslbauer:innen? Oder geben wir die Planung bereitwillig aus der Hand?
Nikolic Wir sind schon eine ziemliche Häuslbauer-Nation! Und ein großer Teil der Einfamilienhäuser ist leider schlecht gebaut und weist eine geringe architektonische und baukulturelle Qualität auf. Die handwerkliche Qualität ist verloren gegangen, stattdessen sind wir sehr konsumorientiert und kaufen alles billig im Baumarkt ein.
War das früher anders?
Schartner Vor 30 Jahren waren wir wirklich eine Häuslbauer-Nation. Wir waren in der Lage, selbst Hand anzulegen und uns in die Errichtung eines Hauses einzubringen. Doch das, was wir heute vorfinden, hat nichts mehr mit Hausbau zu tun, sondern ist das Produkt von Baumarkt und Fertighausmarkt.
Nikolic Ein Hausbau war früher ein Lebensprojekt, ein Ausdruck von Charakter und Persönlichkeit. Die Häuser wurden sehr hochwertig errichtet und auch eingerichtet, die Fenster, Türen, Möbel und Bodenoberflächen hatten Bestand für viele Jahrzehnte. Und es gab wirklich viele hoch spezialisierte Handwerker, die sich in so einen Hausbau eingebracht haben. Heute geht man in den Baumarkt und kauft schnell einen Laminatboden und eine Plastiktür für 120 Euro.
Spitzer Auch im Interior-Bereich hinkt Österreich anderen Ländern leider weit hinterher. Umso erstaunlicher ist das angesichts der Tatsache, dass wir vor dem Zweiten Weltkrieg eine wirklich ausgeprägte Möbel- und Handwerkskultur hatten! Ich sage nur: Wiener Werkstätte, Adolf Loos, Josef Frank, Margarete Schütte-Lihotzky. Und das Spannende ist: Wenn man sich alte Pläne anschaut, dann sieht man nur selten hochaufgelöste technische Details. Diese haben meist die Tischler, Schlosser und Tapezierer im Sinne des Gestalters selbstständig entwickelt. Das ist eine Expertise, die leider fast vollständig verschwunden ist.