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Architektur, Design, Mensch – das Wechselspiel ist nicht neu, aber wird heute stärker gewichtet. Das zeigt sich auch in der aktuellen Generation der Walk-in Closets. Was das mit dem Konzept von Mies van der Rohes fließendem Raum zu tun hat: LIVING tritt ein.
14 . September 2022 - By Nicola Afchar-Negad
Das an japanische Trennwände erinnernde Schiebepaneel gleitet lautlos und langsam zur Seite und gibt den Blick frei auf den Anziehraum. Auf Aluminiumstrukturen mit mattem Finish, sorgfältig gestreutes LED-Licht, kantenlose Schubladen und einen Glaskubus, in dem ein Haute-Couture-Kleid präsentiert wird, als wäre es Teil einer Ausstellung. Ein szenografisches Bild – eine Inszenierung, die zeigt, was heute State of the Art ist. Diese Szenen entstehen nicht etwa nur im Kopf, sie stammen aus Produktvideos, mit denen renommierte Hersteller von Schranksystemen ihre 2022er-Kollektionen lancieren. Es geht dabei natürlich nicht nur um Möbelstücke, sondern um ein Lebensgefühl. Im Fall von Rimadesio ist etwa von »The Good Living« die Rede. Im Mailänder Flagship-Store des Unternehmens wurde während der Milano Design Week 2022 demonstriert, was damit gemeint ist.
»Eine ideale Dimension des Wohnens, eine Designkonzeption, die sich einem neuen Lebensstil im Gleichgewicht zwischen Emotion, Umwelt und Nachhaltigkeit verschreibt.« Die Räume werden offener, das ist nicht neu, aber es betrifft zunehmend auch die intimeren Bereiche, zu denen der Ankleideraum zweifellos zählt. »Mein Innenarchitekturkonzept geht immer von einem Haus als offenem Ort aus, in dem Räume durch Schiebetüren verbunden sind. Nicht getrennt, verbunden!«, erklärt Giuseppe Bavuso, der seit den späten 1980er-Jahren für Rimadesio an Materialien und Techniken forscht (»Aluminium ist unsere DNA«) und designt. »Räume können ineinander über-gehen oder nicht, je nachdem, was man benötigt.« Bavusos Worte erinnern an Mies van der Rohe, der das Konzept des »fließenden Raums« mitprägte, wobei genau genommen schon die griechischen Tempel reine Säulenkonstruktionen ohne definierte Wände waren. Andere Hersteller wie Boffi nehmen in ihrer aktuellen Kollektion sogar direkt Bezug auf van der Rohe und betrachten ihre modularen und höchst flexiblen Lösungen als Neuinterpretation seines modernistischen Ansatzes.
Auch bei Molteni&C ist von »fluid homes« die Rede, die miteinander verknüpft sind. Im Best-Case Szenario gehen Design und Architektur Hand in Hand, können nicht ohne einander, sind verbunden und erzeugen Verbundenheit. Für Bavuso geht es bei beiden Diszi-plinen um das Gleiche: den Mensch und sein Wohlbefinden in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Walk-in-Anziehraum könne genau dabei helfen, sagt Bavuso. »Unsere Kleider, Schuhe, Taschen und Accessoires repräsentieren unsere Lebensart. Die Garderobe wird zum offenen Raum, zum Showcase unserer Persönlichkeit.« Das Design hält sich in diesem Bereich zurück, ist Supporting Act. Es ist »minimalistisch, bringt aber Wärme«, wie der Norditaliener es formuliert. Die Hauptdarsteller sind die Kleider, sie dürfen modisch sein, dürfen Farbe reinbringen, für Aufsehen sorgen. Bei den Schranksystemen geht es stattdessen um den Luxus der Reduktion und vor allem um die formidablen Details.
Um die Harmonie perfekter Bewegungen, versenkbare Türen mit Push-Öffnung, Oberflächen als Stauraum, lederbezogene Kleiderstangen, kunstvolle Dekore und charmante Lichtspiele. 260 verschiedene Oberflächen – Glas, Holz, Marmor, Textilien und synthetisches Leder – erlauben maximale Individualisierung. Nichts schreit laut »hier«, aber alles ist da, wo es sein muss.