© Anna Huix

Anti-Metaverse: das Design-Duo Space Popular

Fredrik Hellberg und Lara Lesmes vom schwedisch-spanischen Duo »Space Popular« bringen nicht nur einen Schuss Buntheit in die graue Architekturwelt, sondern erforschen auch virtuelle Welten und machen sie – jenseits des Metaverse-Hypes – spür- und erfahrbar.

26 . Oktober 2023 - By Maik Novotny

Header Bild: Farbenfrohes Duo Sie tummeln sich in den weiten Welten zwischen Architektur, Design, Kunst und Virtualität:  Die Spanierin Lara Lesmes und der Schwede Fredrik Hellberg von Space Popular.

Auf großen Architekturevents wie der Biennale in Venedig erkennt man Fredrik Hellberg und Lara Lesmes auch im größten Gedränge schon von Weitem. Stets bunt gekleidet in genau aufeinander abgestimmten Outfits, ist das schwedisch-spanische Architektenduo, das sich beim Studium in London kennenlernte, vom Geheimtipp-Status ins Zentrum der Szene vorgedrungen. 2013 gründeten die beiden ihr Büro Space Popular, heute arbeiten sie in Spanien und London und lehren weltweit. Dieses Jahr war ihre große Installation »The Portal Galleries« in der Ausstellung »/imagine: Eine Reise in die Neue Virtualität« am Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) zu sehen. Auch da ging es farbig zu.

Tradition im Farb-Raster Für das »Brick Vault House« in Spanien kombinierten Space Popular ortstypische Bauweisen mit einem grünen Stahlgerüst zu etwas ganz Neuem.

© Mariela Apollonio

SPÜRBARE RÄUME

Doch Buntheit ist für die beiden weit mehr als nur kalkulierter Wiedererkennungswert und auch mehr als Dekoration und Oberfläche. »Wir lebten fünf Jahre in Thailand, als wir begannen, zusammenzuarbeiten«, sagt Fredrik Hellberg, der beim Gespräch mit LIVING ebenso wie Lara Lesmes ganz in sattes Grün gewandet ist. »In diesem Land ist alles von wilder Buntheit, und das hat unser Interesse geweckt. Oft wird in Thailand die Farbe der Kleidung sogar auf den Wochentag abgestimmt. Ein kleines Detail, das aber in Europa undenkbar wäre. Genau das interessiert uns: Farbe als Teil eines Informationssystems zu benutzen.« Information und Forschung mit Farb- und Raumerlebnissen zu koppeln, ist so etwas wie die Mission von Space Popular. Sie sind fasziniert von virtuellen Welten und machen sie in ihren Rauminstallationen ganz physisch spür- und fühlbar. Für ihre Rauminstallation im Wiener MAK hatten sie sich in einer mehrjährigen Recherche mit Portalen in Filmen, Büchern und Spielen beschäftigt und 23 Archetypen identifiziert. Die Verwandlung dieser Recherche in ein Raummöbel wurde vom MAK speziell für die Ausstellung in Auftrag gegeben, und es wurde ein Möbel, mit dem man sehr viel Freude hatte: Eine Mischung aus Roulettetisch und Altar, kreisrund und textil, in der Mitte ein Loch, darunter ein Teppich. Bedruckt ist der Tisch mit einer konzentrischen Timeline aller recherchierter Portale, beginnend beim Wurmloch von »Alice in Wonderland«. Kombiniert wurde dieses optisch-haptische Wunderwerk mit VR-Brillen, die die Portale erfahrbar machen. Man merkte: Space Popular sind virtuose Geschichtenerzähler an der Schnittstelle der Welten.

Die Zukunft des Wohnens Der Film »The Global Home«, der neue Welten des Zusammenseins
im virtuellen Wohnzimmer erkundet, war 2022 auf dem Fuorisalone in Mailand zu sehen.

© beigestellt

ANTI-METAVERSE

Was fasziniert die beiden an Portalen? »Wir sehen immer mehr virtuelle Welten, und alle von ihnen beinhalten eine Art von Portal«, erklärt Lara Lesmes. »Aber kaum jemand benutzt sie im Bewusstsein ihrer langen kulturellen Geschichte.« Raumerfahrung und Wissensvermittlung mit Spaß: Der Name Space Popular ist Programm. Doch im Unterschied zu Kolleg:innen wie Zaha Hadid Architects wollen Hellberg und Lesmes mit aufgeregten Tech-Trends wie NFT, Bitcoin und Metaverse nichts zu tun haben, die sie für reine Marketing-Hypes halten. »Seit Jahrhunderten imaginieren die Menschen virtuelle Räume, und es ist schade, dass das jetzt aufs Metaverse zusammenschrumpft«, sagt Lesmes. Und Hellberg ergänzt: »Wir haben beschlossen, das Wort Metaverse nicht zu verwenden. Wir bevorzugen den Begriff immersives Internet. Im Jahr 2050 werden alle Medien räumlich sein, und wir werden täglich in ihnen arbeiten. Daher sind Portale so wichtig.« Sind Space Popular nun eigentlich Architekten? »Darüber denken wir seit zehn Jahren nach«, lacht Hellberg. »Unsere Eigenbezeichnung ändert sich ständig. Wir wollen einfach so interdisziplinär wie möglich sein.« Und ja, dazu gehören auch richtige Architektur und Interieurs. Der 2016 realisierte Day Spa in Bangkok erzeugt mit polychromen Möbeln vor großflächigen weißen Vorhängen eine fast surreal schwerelose Atmosphäre, irgendwo zwischen Theaterbühne und Raumschiff.

Einladung ins Virtuelle Die Rauminstallation »The Portal Galleries«, die 2023 am Wiener
MAK zu sehen war, entführte real und via VR-Brille in die Kulturgeschichte der Türen, Tore und Portale.

© beigestellt

Hereinspaziert! Ein Ausschnitt aus »The Portal Galleries«, angesiedelt an der Schnittstelle von
Architektur und Gaming.

© beigestellt

FRISCH UND GRÜN

Großes Aufsehen in der Architekturwelt erreichten sie 2019 mit dem »Brick Vault House« in der Nähe von Valencia in Spanien, einer Villa, bei der sie regionale Elemente wie weiß getünchte Wände und Decken­gewölbe aus Ziegeln mit einem dünnen, leuchtend grünen Stahlgerüst zu etwas Neuem kombinierten. Das ist gleichzeitig erdig und luftig, spanisch und global, traditionell und modern, mit der Farbe als Erzählstimme. Ein Ausflug in die klassische Architektur, der keine einmalige Aktion bleiben wird, wie die beiden versichern. Was sind die Zukunftspläne für das junge Duo? »Als Nächstes planen wir, unser eigenes Studio in Spanien auszubauen, wo wir derzeit unseren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt haben«, sagt Lara Lesmes. Und auch die Forschung zum Lieblingsthema Portale geht bereits in die nächste Phase. So viel dürfte sicher sein: Das Farbspek­trum von Space Popular wird weiter schillern, und sie werden uns noch viele Türen in neue Welten öffnen.

Schwebend entspannen Für das Day Spa »Infinite Wellbeing« in Bangkok kombinierten Space Popular polychrome Möbel mit weißen Vorhängen zu einer fast schwerelosen Raumerfahrung.

© Wison Tungthunya

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