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Thomas Schröck: »Meine Kunstsammlung ist absolut persönlich«

Unternehmer Thomas Schröck ist leidenschaftlicher Kunstsammler. Im LIVING-Interview erzählt er von Werten und Wünschen und warum Kunst für die Ewigkeit ist.

21 . Juli 2023 - By Elisabeth Klokar

Im Dokumentarfilm »The Price of Everything« gibt Regisseur Nathaniel Kahn seltene Einblicke in die Welt der Kunstsammler:innen. Ein Kosmos, den er als »einen glitschigen Fisch« beschreibt. Leicht zu greifen ist die Kunstwelt für Außenstehende nicht, manchmal erscheint sie als ein großes Geheimnis, was dazu führt, dass der Gedanke an eine eigene Kunstsammlung unzählige Fragen aufwirft. Falstaff LIVING hat Sammler Thomas Schröck zum Interview samt Expertenrat gebeten.

Header Bild: Schüttbild aus der Malaktion »Walküre«, 2021 Werke vom österreischischen Maler, Komponisten und Bühnenbildner Hermann Nitsch (1938–2022) befinden sich weltweit in zahlreichen Museen und privaten Sammlungen. Thomas Schröck besitzt einzelne Acryl-Werke des vielseitigen Künstlers, dessen Gesamtkunstwerk geprägt ist vom Aktionismus. Sinnlich- intesive Farben spielen meist eine große Rolle. 

LIVINGWie kamen Sie zur Kunst und zum Sammeln?

Thomas Schröck Mir gefallen schöne Dinge, seien es Edelsteine, Kunst, Autos. Die Sammelleidenschaft war aber immer da. Zuerst für Mineralien, später für Edelsteine und mit der Zeit hat sich das auf andere Bereiche ausgeweitet. Ich habe gesehen, gelernt, gehört. Prägend war aber sicher auch mein Elternhaus, das voll mit Kunst war. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben meine Eltern Tuschezeichnungen gesammelt, und alte Stiche von Orten, mit denen man geschichtlich verbunden war, gekauft.

In Ihrer Sammlung sind Werke aus unterschiedlichsten Kunstrichtungen und Epochen. Warum?

In erster Linie kaufe ich das, was mir gefällt und wo ich einen Bezug zu mir feststellen kann. Bei Nitsch sind es nur seine Acrylbilder. Maria Lassnig schätze ich, weil ich sie als Frau bewundere, ihre Entwicklung und was sie geschafft hat. Von ihr habe ich einige Bleistiftzeichnungen. Hans Makart fasziniert mich, weil er ein richtiger Marketingmensch war, und das im 19. Jahrhundert. Bruegel liebe ich, und hätte ich gerne in meiner Sammlung. Bei Matthias Stomer waren es die Motive. Auf den insgesamt vier Werken sind unsere Sinne Riechen, Sehen, Fühlen und Hören, allegorisch dargestellt, zu sehen. Mit diesen Repräsentationssystemen arbeite ich als NLP-Coach, was wiederum den Kreis zu meinen Interessen schließt, und warum sie auch hier in meinem Büro hängen. Übrigens fasziniert es mich, dass sich im 17. Jahrhundert schon jemand über das Thema Kommunikation Gedanken gemacht hat. 

Ist es Ihnen wichtig, Künstler:innen auch persönlich kennenzulernen?

Unbedingt. Ich tauche in jede Biografie ein, wenn mich eine Arbeit fasziniert, dann suche ich nach mehr. Und wenn ich die Möglichkeit bekomme, lerne ich Künstler:innen immer gern persönlich kennen. Besonders Atelierbesuche finde ich wichtig, um einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise zu bekommen. Mit manchen, etwa Erwin Wurm und Simon Quendler, bin ich inzwischen auch freundschaftlich verbunden. 

»Leidenschaft macht das Eintauchen in die Kunst, in die Materie, erst möglich.« Thomas Schröck Unternehmer und Kunstsammler

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Sammeln was gefällt:  Thomas Schröck besitzt Werke des italienischen Mode-illustrators René Gruau (1909–2004). Er arbeitete für die größten Magazine wie Vogue und Elle und die bekanntesten französischen Designergrößen von Givenchy über Chanel bis Balenciaga. Seine Zeichnungen zeugen von Eleganz und Leichtigkeit und zeigen Attribute des New Looks von Dior, mit dem Gruau später eng zusammenarbeitete.

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Muss Kunstsammeln beides sein: Leidenschaft und Investment? Oder: Setzt Leidenschaft ein Eintauchen erst voraus? 

Ganz klar: Leidenschaft. Sie ist das Entscheidende. Mir persönlich geht es nicht um ein reines Investment. Mir dürfen die Stücke wirklich gefallen. Und, ich würde meine Sammlung auch nie in einem Lager verschwinden lassen. Dann fehlt mir der Bezug zu den Werken. Ich möchte Kunst an der Wand sehen, um mich haben. 

Studien haben ergeben, dass das Betrachten von Kunst, den Körper Dopamin ausschütten lässt. Haben Sie selbst schon solch eine Erfahrung gemacht?

Durchaus. Ich versinke manchmal in einem Bild, in einer Skulptur. Auch der Teppich, auf dem wir sitzen (Anm.: ein alter, amerikanischer Sarough) ist für mich besonders – und ein Kunstwerk.

Unterstützt Sie bei Ihrer Sammlertätigkeit jemand?

Ich tausche mich mit Sammlerfreunden aus, mit denen berate ich mich. Aber einen
professionellen Advisor habe ich nicht, ich suche und kaufe alles selbst.

Oscar Wilde sagte: »Manche Menschen kennen den Preis von allem und den Wert von nichts«. Wie definieren Sie Wert und was ist Ihr »wertvollstes« Werk?

Da unterscheide ich zwischen einem objektiv feststellbaren Wert und einem persönlichen. Wie bemesse ich Wert? Wie es mir gefällt oder andere Attribute, die ich zuschreiben kann. Besser erklärt: Ich habe drei Bilder, die im Foyer meiner Firma hängen, und absolut keinen künstlerischen Wert haben, aber sie stammen aus dem Privatbesitz Kaiser Franz Josefs. Absolut unbezahlbar für mich. Oder »Die sieben Hunde«, ein Werk mit einem Schätzwert von 500 bis 1000 Euro. Ich besitze es seit Anbeginn meiner Karriere; damit ist es zu einem Wegbegleiter mit einem ideellen Wert geworden.

Vom Zeitgeist zur Kunst für die Ewigkeit – wie unterscheidet man?

Keine leichte Frage, aber ich glaube, alles war einmal Zeitgeist und hat sich durch spätere Betrachtung als (vielleicht) kunsthistorisch wichtig herausgestellt, man denke an Caravaggio, Rubens. In Österreich ist Maria Lassnig mit Sicherheit ein gutes Beispiel. Zu ihren Lebzeiten sehr lange unterschätzt, weiß man mittlerweile um ihren künstlerisch wertvollen Beitrag.

Sehen Sie über die Jahre hinweg Veränderungen in der Kunst- und Sammlerszene? 

Der Zugang zur Kunst ist heute niederschwelliger. Social-Media-Plattformen ermöglichen sowohl Selbstvermarktung als auch einen rascheren Informationsaustausch. Damit ist Kunst eher in der Breite angekommen. Zusätzlich bekommt man als Sammler:in sofort einen Eindruck von der Person, was sie bewegt, wie sie Kunst sieht. Das ist mir zum Beispiel sehr wichtig. 

Ist Sammeln heute eigentlich antiquiert? Man strebt ja danach, alles auf ein Minimum reduzieren zu wollen. 

Diese Frage stelle ich mir tatsächlich immer wieder und sie ist bei vielen Dingen berechtigt. Dennoch, ich umgebe mich mit wundervollen Stücken, die ich trage, benutze, ansehe. Das möchte ich nicht missen. Daher: Ich sammle leidenschaftlich, gerne und qualitätsvoll weiter.

Was halten Sie dann von der gegenwärtigen NFT-Kunst? 

Ich bevorzuge die Haptik, den Pinselstrich, das Material, besonders Bronze. Da ist
Körper, Gewicht – und Staub – zu spüren. Das ist mir näher als digitale Kunst.

Zeigen Sie Ihre Sammlung auch in Ausstellungen oder Museen?

Nein. Die ist privat. Auch ist nichts dergleichen in naher Zukunft geplant. 

Sammler Thomas Olbricht sagte einmal in einem Interview: »Jeder, der wirklich sammeln will, hat Zeit.«

Dem kann ich nur halb zustimmen. Es gab schon Impulskäufe und ich bin mit ihnen sehr glücklich.

Welches Bild haben Sie im Kopf, wenn Sie an Ihre Sammlung in zehn Jahren denken?

Sie wächst, und ich hoffe mit einem Groß-format von Lassnig und einem (freundlich-hellen) Bruegel. Makart möchte ich gerne ausbauen, und ein paar mehr (lacht).

Experten-Tipp von Thomas Schröck. Was raten Sie Personen, die gerne anfangen würden, Kunst zu sammeln?

1) Wichtig: Nur das kaufen, was wirklich gefällt und womit man Freude hat.

2) Der nicht ganz einfache Faktor: auf Qualität achten. 

3) Ein individuelles Budget festlegen und auch nicht ausreizen.

4) Sein Auge vor Originalen schulen und vergleichen. Das heißt: Messen und Galerien besuchen, in Ausstellungen gehen. Empfehlenswert sind das Belvedere, die Albertina und die TEFAF in Maastricht.

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LIVING Nr. 05/2023
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