Träume vom Westen – Klassische Mid-Century-Villen in Los Angeles
Die Architektur der Moderne ist so etwas wie die Seele von Los Angeles. Sie verbindet Luxus mit Leichtigkeit, sie schafft Eleganz ohne Protz. Viele der klassischen Mid-Century-Villen wurden liebevoll renoviert, und heutige kalifornische Architekten lassen sich von der sexy Hightech der Sixties inspirieren.
02 . Mai 2022 - By Maik Novotny
Klappe und … Action! Der Dude schlurft durch die stimmungsvoll beleuchtete Villa und lässt sich auf den langen braunen Lederpolster sinken. Er schaut sich um. »Hübsche Bude haben Sie da«, knurrt er anerkennend seinem reichen Gastgeber Jackie Treehorn entgegen. Da hat er natürlich recht, der langhaarige Jeff Bridges alias The Dude im legendären Film »The Big Lebowski« der Coen-Brüder von 1998. Die Bude ist in der Tat hübsch. Etwas untertrieben vielleicht, denn das Sheats Goldstein House, in dem die Szene gedreht wurde, ist selbst unter den vielen Filmschauplätzen eine der Architektur-Ikonen der kalifornischen Moderne.
SINNLICHER LUXUS
Kaum ein Architekt schaffte es, großstädtischen Glamour, sinnlichen Luxus und räumliche Leichtigkeit mit konstruktivem Wagemut zu kombinieren und diese Mischung dann auch noch kongenial in die kalifornische Landschaft zu platzieren wie John Lautner. Beim Sheats Goldstein House ließ er Innen- und Außenraum unter einem gekippten Betonrasterdach ineinander fließen, die Möbel sind in diese Landschaft wie hineingegossen. Eleganz, die keinen Protz benötigt. Die Geräusche klirrender Jet-Set-Cocktailgläser mischten sich hier mit denen der zirpenden Grillen in den Kakteen. Entworfen wurde das Haus 1963 von John Lautner für Helen und Paul Sheats, neun Jahre später erwarb es James Goldstein, der es pflegte und gemeinsam mit Lautner erweiterte.
Dieser stiftete es schließlich 2016 dem Los Angeles Museum of Contemporary Art (LACMA), ein Symbol dafür, wie etabliert und wertvoll die Ära des Mid-Century Modern inzwischen geworden war. »Ich hoffe, dass mein Geschenk andere dazu ermutigt, die architektonischen Schätze von Los Angeles zu erhalten.« Dies waren wohl bedachte Worte, denn viele dieser Schätze fielen bereits Abrissbirne und Profitgier zum Opfer. Doch nicht alle.
VERSPRECHEN DER ZUKUNFT
Denn viele Architekten der jüngeren Generation wissen um den einzigartigen Wert der modernen Häuser. Ein anderes Meisterwerk von John Lautner, das ebenfalls 1963 realisierte Silvertop House, wurde von der Architektin Barbara Bestor liebevoll restauriert, die selbst das Buch »Bohemian Modern« über die Villen ihres Stadtviertels Silver Lake publiziert hat und sich bestens auskennt. Silvertop House war damals wie ein Versprechen der Zukunft, ein Haus für die Jetson-Familie. Ein 25 Meter überspannendes gewölbtes Betondach, automatisch verschiebbare Glastüren und ein Infinity-Pool, lange bevor der Name »Infinity Pool« erfunden wurde. Ganz fertig wurde es allerdings nie, und als es 2014 auf den Markt kam, rief Barbara Bestor sofort einen ihrer Bauherren an: Kaufbefehl! »Dieses Haus ist wie Frank Lloyd Wrights Fallingwater für die Westküste«, schwärmt sie, »expressiv und revolutionär in konstruktiver und ästhetischer Hinsicht.« Klar also, dass sie all ihre Fähigkeiten mobilisierte und im Planarchiv forschte, um Lautners futuristische Ideen 50 Jahre später zu komplettieren und in die Gegenwart zu transferieren.