Vintage mit Handschrift – Zu Gast bei Katharina Husslein
Die Kunsthistorikerin Katharina Husslein betreibt im achten Bezirk in Wien ein Antiquitätengeschäft für Modeschmuck und Glas. Aber auch privat liebt sie einen kreativen Mix aus Art déco, Flohmarktfunden und aufgemöbelten Erbstücken. Selbst ihre Kleider haben Charakter.
20 . September 2022 - By Karin Cerny
Ein Problem, das alle Menschen kennen, die sich für schöne Dinge interessieren: Die eigene Wohnung ist schnell zu klein für all die Schätze, die man auf Flohmärkten, im Internet und in Auktionshäusern findet. Seit 2019 wohnt die Wienerin Katharina Husslein nun schon in einem Haus des Jugendstilarchitekten Otto Wagner im siebenten Bezirk. Und sie hat dort all jene Annehmlichkeiten und Vorteile gefunden, die für ihren Lebensstil wichtig sind. »Die Wohnung hat große Fenster, sogar die Türschnallen sind noch im Original, und sie ist viel größer, als mein Apartment davor«, schwärmt die Kunsthistorikerin.
MARKANTE STOFFE
Endlich haben ihre Möbel Luft zum Atmen! Das blaue Art-déco-Sofa mit tschechischer Herkunft oder eine Sitzbank, die von der Großmutter stammt. »Möbel sind für mich Objekte, von denen ich mich schwer trennen kann, weil sie oft eine persönliche Geschichte erzählen. Ich habe viele Einrichtungsgegenstände, die ich von den Eltern oder Großeltern geschenkt bekommen habe, im Laufe der Zeit neu aufgemöbelt, sie mit einem anderen, markanten Stoff überzogen.« Aber auch WMF-Lampen aus den 1930er-Jahren wurden mit farblich passendem Schirm und Kabel versehen. Aus Flohmarktfunden werden so Einzelstücke mit Charakter. »Es ist Vintage, aber mit persönlicher Handschrift«, bringt es Husslein auf den Punkt.
Für Kunst im weitesten Sinn hat sich Katharina Husslein, Tochter von Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Privatmuseums von Heidi Horten, schon immer begeistert. Sie hat nach einem Kunstgeschichtestudium in London in Auktionshäusern, Kunstversicherungen und Galerien gearbeitet. Bei der Wiener Kunstmesse viennacontemporary betreute sie die VIP-Kontakte. Bis sich im Vorjahr eine ungeahnte Chance ergab: Susi Haneke, Ehefrau von Regisseur Michael Haneke, wollte ihr kleines, feines Secondhandgeschäft auf der Josefstädter Straße nach 40 Jahren aufgeben. Für Katharina Husslein eine gute Gelegenheit, sich ihren Traum vom eigenen Vintage-Store zu erfüllen. Und aus ihrer Leidenschaft für extravaganten Modeschmuck und Vintage-Gläser einen Beruf zu machen.
»Ich bin ein großer Fan der Entwürfe des österreichischen Modemachers Arthur Arbesser. Das sind klare, einfache Schnitte, aber mit raffinieren, humorvollen Details.« – KATHARINA HUSSLEIN über ihren Modegeschmack
WENIGER BLING-BLING
»Früher oder später möchte ich dort auch Möbel verkaufen«, sagt sie. »Das Geschäft macht es mir leichter, mich von materiellen Dingen zu trennen. Ich hänge nicht mehr so an persönlichem Schmuck, wenn ich weiß, dass er einen guten Platz findet. Das ist ein befreiendes Gefühl.« Coronabedingt habe sich aber auch ihr Kleidungsstil verändert, erzählt sie. »Früher war alles einen Tick zu viel, mehr Bling-Bling, vor allem, wenn es um Schmuck ging. Mittlerweile ist meine Garde-robe sehr basic: weißes T-Shirt, Jeans oder Rock und dazu ein markantes Schmuckstück und meist flache Schuhe. Es ist fast eine Art von Arbeitsuniform.« Eine Einstellung, die zeitgemäß nachhaltig ist: »Ich trage meine Schuhe, bis sie kaputt sind, wenn ich mich in ihnen wohl fühle.« Im Alltag darf es bequem sein: Converse oder New-Balance-Sneakers, festes Schuhwerk von Ludwig Reiter, Vintage-Chanel-Ballerinas. Und für den besonderen Anlass: High Heels vom heimischen Designer Petar Petrov, die echte Eyecatcher sind.
HUMORVOLLE DETAILS
Im Kleiderschrank hängen aber auch ein YSL-Kostüm aus den 1980er-Jahren und eine hellrosa Rüschenbluse von der Großmutter, die sie zwar nicht mehr anziehen würde, aber weggeben kommt auch nicht infrage, weil zu viele persönliche Erinnerungen daran hängen. Zu basic darf der Kleidungsstil dennoch nicht sein, vor allem, wenn es um Muster geht. »Ich bin ein großer Fan der Entwürfe des österreichischen Modemachers Arthur Arbesser«, sagt Husslein, »das sind klare, einfache Schnitte, aber mit raffinieren, humorvollen Details. Mit einem gewissen Twist. Und mit tollen Prints. Ich liebe seine Blumenmuster. Wahrscheinlich auch, weil ich selbst lange ein Blumengeschäft haben wollte, in seinen -Entwürfen fühle ich mich wohl.«
»Möbel sind für mich Objekte, von denen ich mich schwer trennen kann, weil sie meist auch eine persönliche Geschichte erzählen.« – KATHARINA HUSSLEIN über Lieblingsmöbel
Abgesehen davon ist Husslein aber nicht zwangsläufig auf berühmte Labels fixiert. »Ich brauche keine bekannten Marken, mir geht es um den Schnitt, das Material und das Design.«
ÜBERRASCHEND KOMBINIEREN
Und auch H&M habe schöne Stücke, die sich gut kombinieren lassen. »Ich habe früher mehr eingekauft, dieses Bedürfnis ist in den letzten Jahren weniger geworden. Meine Einstellung ist mittlerweile: Ich habe so viele tolle Sachen. Ich möchte sie auch wirklich tragen, sie neu und überraschend kombinieren.« So gehen Vintage-Schätze, zeitgenössische Designermode und Basics eine spannende Fusion ein, werten sich gegenseitig auf und avancieren zu Hussleins ganz persönlichen Lieblingsstücken.