Virtuelle Revolution
Die Kunst hat die digitale Goldmine der NFTs entdeckt, und die Architektur macht beim neuen Goldrausch mit. Sie öffnet die Türen in die Welt des Metaverse, mal verführerisch, mal am Rande zum Kitsch.
28 . März 2022 - By Maik Novotny
Ein bisschen sieht es aus, als sei das Zubehör eines Computerspiels der »Pac-Man«-Generation auf einer Wiese ausgekippt worden. Pastellfarbige Pixel, wie Lego-Steine zu einer Wolke zusammengesteckt. So oder so ähnlich wird der »Fungible Non-Fungible Pavilion« auf der Architekturbiennale in Tallinn aussehen. Konzipiert wurde er vom in England ansässigen Trio iheartblob, das sich mit viel Begeisterung und etwas ironischer Distanz in die neue Welle der NFTs, also Non-Fungible Tokens wirft.
DOLLARZEICHEN IN DEN AUGEN
Diese haben mit absurden Verkaufssummen für digitale Kunstwerke für ein Erdbeben in der Kunstwelt gesorgt, und die Architektur vibriert bereits mit. Im März 2021 entwarf und verkaufte die Künstlerin Krista Kim ihr »Mars House« für 500.000 US-Dollar. Das lässt die Dollarzeichen in vielen Augen aufleuchten.
Doch die Installation in Tallinn, der »erste Blockchain-finanzierte Pavillon der Welt« (so iheartblob), geht einen anderen Weg. Jeder, der will, kann sein eigenes digitales Kunstobjekt »minten«, also in das Verwertungssystem der NFTs einspeisen und selbst zu Geld machen, und die physischen Zwillinge werden vor Ort konstruktiv zusammengefügt. Digitale Bildhauerei trifft finanzielles Empowerment.
An der Grenze zwischen Kunst und Architektur bewegt sich auch Rem Koolhaas’ Office for Metropolitan Architecture, das jetzt seine Zehen ins NFT-Wasser taucht. Buchstäblich, denn es entwickelte einen Unterwasserpavillon, der in drei virtuellen Versionen auf der Miami Art Week aus-gestellt wurde. Mit dem Geld aus dem Verkauf wird der physische Zwilling als Korallenriff im Ozean vor Miami Beach seinen ökologischen Dienst tun.