© Adam Pendleton

Wer mischt das Kunstjahr 2023 auf?

Neues Jahr, neue Kunst, neue Entdeckungen. Das Karussell für zeitgenössische bildende Kunst nimmt wieder Fahrt auf, das Publikum springt lustvoll auf. Damit einem dabei nicht schwindlig wird, baten wir Fachleute um die Nennung jener Künstler:innen, denen sie besonderes Potenzial zutrauen.

07 . März 2023 - By Stefan Musil

Die Galerien bestücken nach und nach ihre Räume mit frischer Ware, die Museen und Kunsthäuser eröffnen ihre Frühjahrsausstellungen. Und selbst wenn man bis 2024 etwa auf die nächste Kunst-Biennale in Venedig und bis 2027 auf die documenta 16 in Kassel warten muss, die ersten großen, auf Zeitgenössisches fokussierten Messen des Jahres geben die Reiseroute vor: die Frieze in L.A., die Arco in Madrid und die Art Basel.

Es ist ein feines, spannendes Abenteuer, jungen, angesagten oder unerkannten, noch unentdeckten Künstler:innen auf die Spur zu kommen. Doch wer sind die vielversprechenden »Newcomer:innen«?

Julia Haugeneder schafft Objekte aus gefalteten Oberflächen. In der Galerie von Sophia Vonier in Salzburg zeigte sie 2022 ihre Installation »Fender«.

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Queerness, Blackness

Mit Lisa Ortner-Kreil, die im Kunstforum Wien gerade die gefeierte Kiki-Kogelnik-Schau kuratiert hat, geht es nach Brooklyn, zur 1993 in Toronto geborenen Tau Lewis, die »mich mit ihren Masken nachhaltig beeindruckt hat. Sie konstruiert Porträts aus gefundenem und oft auch Recyclingmaterial. Sie ›sampelt‹ ihre Werke ähnlich wie wir das aus der Black Music, dem Jazz und dem Hip-Hop kennen«, so Ortner-Kreil, deren zweiter Tipp Kris Lemsalu ist. Die 1985 in Estland geborene queere Künstlerin lebt in Wien und hat jüngst in der Galerie Meyer Kainer in surrealen, bunten Rauminstallationen ihre »Love Stories« erzählt.

Marianne Dobner kuratiert im mumok gerade »Adam Pendleton. Blackness, White, and Light« (ab 31. 3.), um die »außergewöhnliche Art und Weise« des New Yorkers zu zeigen, »mit seiner multimedialen Praxis keinen singulären Standpunkt einzunehmen, sondern multiple Stimmen zu repräsentieren und dadurch unser starres Verhältnis zu Geschichte und Vergangenheit zu durchbrechen«. Dobners weitere Empfehlung ist der aus Nigeria stammende und ebenfalls in New York lebende Anthony Akinbola, »ein Künstler, der sich in seinen Textilarbeiten stark mit der Kommerzialisierung von Kultur und kultureller Appropriation auseinandersetzt.«

Kris Lemsalu schuf für ihre »Love Stories« drei Settings, drei Begegnungen mit sich selbst. Hier: »Lazy Flower« von 2021.

© Kris Lemsalu

Sprungbrett Kunstpreis

Ihre mumok-Kollegin Heike Eipeldauer nennt die aus Guadeloupe gebürtige Minia Biabiany, deren künstlerische Praxis »sich durch eine besondere Aufmerksamkeit für die Beschaffenheit, Verwendung und Bedeutung von Materialien auszeichnet, die sie für eine Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe in der Karibik – den fortwirkenden ökologischen und politischen Folgen der Plantagenwirtschaft und Sklaverei – heranzieht«. Weiters legt Eipeldauer einem die Kunst der aus Tokio stammenden, derzeit in Wien lebenden Kazuna Taguchi mit ihren subtilen Arbeiten am »Übergang von Malerei und Fotografie« ans Herz.

Namhafte Kunstpreise sind natürlich wichtige Aufmerksamkeitsgeneratoren. So auch für den in Wien lebenden Slowaken Robert Gabris, der den erstmals verliehenen Belvedere Art Award samt einer Ausstellung im September gewonnen hat. Einen Schub erhält auch die Karriere von Maruša Sagadin dank des renommierten Otto Mauer Preises 2022. Der Strabag Artaward ging im letzten Sommer an den aus Merseburg stammenden Andreas Werner. Er hat bei Gunter Damisch in Wien studiert und konzentriert sich vor allem auf das Medium der Zeichnung. Mit seinen »zumeist monumental-hybriden Konstruktionen zwischen Architektur und Figuration in nuancierter malerischer Handschrift« ist er einer der Vielversprechenden für Florian Steininger, den Künstlerischen Direktor der Kunsthalle Krems.

Andreas Werner ließ sich für seine Arbeit aus der Serie »Landscapes«, 2016, von den Landschaften Caspar David Friedrichs inspirieren.

© Andreas Werner

Falten, Haut, Plastik

In Krems läuft noch bis Anfang April »The New African Portraiture. Shariat Collections«, in der sowohl die Kunst des von Steininger außerdem genannten Cornelius Annor, den er für einen der Interessantesten der aktuellen figurativen afrikanischen Malerei hält, als auch die Kunst von Alexandre Diop gezeigt wird. Diop ist einer der Favoriten von Angela Stief aus der Albertina. 1995 in Paris geboren, lebt und arbeitet er in Senegal und Wien, wo er bei Daniel Richter studiert hat. »Für seine großformatigen Assemblagen, Arbeiten auf Papier, Künstlerbücher und Skulpturen bedient sich Diop verschiedener Materialien, insbesondere greift er auf Fundstücke zurück, die er in seiner näheren Umgebung findet und auf seinen Tableaus bricoleurhaft arrangiert«, sagt Stief. Die Albertina hat sich längst Werke des international gefragten Shootingstars gesichert. Ebenso von Stiefs Entdeckung Eva Beresin, einer ungarischen Künstlerin, die seit 1976 in Wien lebt, und der US-amerikanischen Bildhauerin und Malerin Kennedy Yanko, die in ihren Skulpturen aus Farbhäuten und Metall »die verwendeten Materialien in unerwarteten, lyrischen Kombinationen zu teilweise riesigen, mehrteiligen Skulpturen harmonisch zusammenfügt«. Dazu korrespondiert die Empfehlung von Hans-Peter Wipplinger,
dem Direktor des Leopold Museums: Julia Haugeneder. Auch sie arbeitet skulptural und schafft »charakteristische Faltplastiken« mit selbst produzierten, dünnen, gummiartigen Folien, die, »anschließend zu plastischen Objekten gefaltet, sich insbesondere durch ihre individuellen Oberflächenstrukturen auszeichnen. Auch wenn das Material die Basis ist und letztlich die Eigenschaften der gefalteten Objekte prägt, wird die primäre Wirkung der Plastiken jedoch vor allem durch Form und Farbe bestimmt.«

Alexandre Diop: Gefragte Kunst, kräftige Bildtitel: »Autoportrait qui baise la loi Showing the Authority the Middler Finger«, 2021.

© The Shariat

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