Wie rücken wir uns ins richtige Licht?
LED hat das Wohnen und unseren Zugang zum Licht revolutioniert. Doch wo stehen wir heute? Und welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es im Wohnen, im Gewerbe und in der Hotellerie? Ein Gespräch mit Architekt Erich Bernard, Lichtplaner Christian Ploderer und Bauträgerin Karin Schmidt-Mitscher.
13 . November 2021 - By Wojciech Czaja
LIVING Im Herbst werden die Tage wieder kürzer und der Himmel grauer und bedeckter. Wie geht es Ihnen damit?
Karin Schmidt-Mitscher Ich komme gerade aus meinem Urlaub in Italien, wunderbares Wetter! Das triste Wetter heute ist für mich grad eine Herausforderung.
Erich Bernard Ich bin da ein bisschen ambivalenter. Ich mag den Herbst und ich mag auch diese skandinavische Lichtstimmung, wenn es am Nachmittag dunkler wird, hinter den Fenstern das Kerzenlicht angemacht wird und man sich wieder darauf freut, die Innenräume zu genießen.
Christian Ploderer Das ist mir persönlich schon zu viel Winter! Der ostösterreichische Hochnebel mit der undurchdringlichen Wolkendecke, durch die kein einziger Sonnenstrahl durchkommt, ist schon eine Challenge.
So viel zum natürlichen Tageslicht. Wie schaut die Sache bei künstlicher Beleuchtung aus?
Bernard Mir gefallen abwechslungsreiche, kontrastreiche Lichtstimmungen, eine Mischung aus viel Dunkelheit, warmen Lichtquellen und ein paar etwas helleren Bereichen, auf die sich das Auge konzentrieren kann. Ich finde das sehr angenehm.
Schmidt-Mitscher Mir ist das Wichtigste, viele unterschiedliche Lichtquellen zu haben: Strahler, Wall-Washer, Stehlampen, Leselicht, Beleuchtung von Kunstwerken und Bücherregalen. Und zwar am liebsten warmes Licht.
Ploderer Dem kann ich mich nur anschließen. Mit einer Ergänzung: Ich mag es, wenn sich ab und zu auch das eine oder andere eiskalte Licht dazwischenmischt.
Was macht heute eine gute Beleuchtung aus?
Ploderer Genau das! Viele verschiedene Lichtquellen in unterschiedlichen Lichtqualitäten, mal als direktes, mal als indirektes Licht, mal pointiert, mal gleichmäßig ausgeleuchtet. Aufgrund der LED-Technologie ist es möglich, Lichtfarben in vielen verschiedenen Graduierungen miteinander zu kombinieren oder sogar auch Glühfadendimmung zu imitieren. Gutes Licht ist etwas Individuelles. Das kann man nicht verallgemeinern und über einen Kamm scheren.
Schmidt-Mitscher Für mich persönlich ist es wichtig, das Licht dimmen und einfach steuern zu können. Und ich mag es, das Licht mit einem Kipp- oder Drehschalter zu bedienen und nicht über irgendwelche Apps oder digitale Screens an der Wand.
Den Wunsch nach haptischer, analoger Bedienung hört man im Consumer-Bereich immer wieder. Das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, worauf sich die Industrie fokussiert.
Bernard Als Architekt bin ich oft mein eigenes Versuchskaninchen. Daher habe ich in meiner Wohnung vor fast 20 Jahren ein BUS-System installiert. Heute merke ich, dass ich die vielen Voreinstellungen kaum noch nutze. Auch außerhalb meiner eigenen vier Wände erkenne ich eine gewisse Rückkehr und Liebe zum Analogen und eine Abkehr vom digitalen, hochtechnischen Interface. Die Leute wollen wieder Bakelit-Fassungen, Stoffkabel, Leuchtmittel in Glühbirnenform – und dass es beim Ein- und Ausschalten klick macht.
Ploderer Das, was Sie sagen, funktioniert im klassischen Wohnbereich. Auf den Luxusbereich mit zig Lichtebenen und Lichtsystemen, die ganz unterschiedliche Helligkeiten und Stimmungen erzeugen, trifft das nicht unbedingt zu. Man kann nicht durch 400 Quadratmeter laufen und 100 Leuchten abdrehen, wenn man von zu Hause weggeht. Im Bürobereich, in der Gastronomie und in der Hotellerie sieht die Sache noch mal anders aus. Ohne BUS-Systeme und komplexe DALI-Steuerungen ist Beleuchtung hier kaum mehr möglich.