© Konrad Limbeck

Martin Löcker: »Wir haben den Holzweg eingeschlagen«

Seit drei Jahren ist beim österreichischen Immobilienentwickler UBM Development alles anders. Die Vorzeichen stehen auf Grün, auf Holz und auf Zero Energy. Warum das so ist? Und welche Ziele UBM damit verfolgt? Das erklärt COO Martin Löcker im Gespräch.

21 . Juni 2023 - By Wojciech Czaja

LIVING Auf Ihrer Website steht: »UBM Development ist einer der führenden Entwickler von Holzbau-Projekten in Europa.« Seit wann ist dieser Satz denn da zu lesen? 

Martin Löcker Seit circa einem Jahr. Schön, dass wir unser Gespräch damit beginnen! 

UBM galt lange Jahre als klassischer Wohn-, Hotel- und Office-Entwickler. Wann und -wodurch hat sich das geändert? 

Bis zur Coronapandemie im Jahr 2020 waren wir der größte Hotel-Developer Europas, wir hatten eine ganze Reihe an Hospitality-Projekten in Entwicklung. Und es war rasch klar, dass wir einen großen Teil davon nicht mehr realisieren werden. Also haben uns bereits am Anfang der Pandemie zusammengesetzt und eine massive Strategieänderung, quasi eine Neuerfindung des gesamten Unter-nehmens, angestoßen – hin zur Nachhaltigkeit. Um einen tatsächlich relevanten Unterschied beim Thema Emissionen zu erreichen, gibt es zwei große Hebel – erstens die CO2-Reduktion in der Errichtungsphase und zweitens die CO2-Reduktion im Betrieb. Österreich ist zu rund 50 Prozent mit -Wäldern bedeckt, das führt uns ganz logisch zum Holz. Daher haben wir den Holzweg ein-geschlagen.

Eines Ihrer Hotelprojekte musste damals sogar mitten im Bau gestoppt werden. 

Das war wahrscheinlich der Turning Point. 2020 hatten wir in Frankfurt am Main ein Großprojekt mitten im Bau, bestehend aus dem Headquarter der »FAZ« und einem Hotel, wir waren gerade beim Bau der Tiefgarage. Es war offensichtlich, dass wir das Hotelprojekt nicht fertigstellen werden können, also haben wir uns zu dazu entschieden, eine Umplanung zu starten – ein Holzhybridhochhaus mit Büro-nutzung, für uns eine richtige Pioniertat! Somit war der Name des Projekts auch rasch klar: »Timber Pioneer«. 

Welche Pionierleistungen gibt es im »Timber Pioneer« sonst noch? 

Man muss sich vorstellen: Das ist das erste Büroobjekt in Holzhybridbauweise in ganz Frankfurt, und das noch dazu über der Hochhausgrenze, also mit besonderen sicherheitstechnischen Anforderungen. Insgesamt haben wir hier rund 2.000 Kubikmeter Holz verbaut. Das war für alle Beteiligten Neuland. Die Baubehörde hatte noch nie ein ähnliches Projekt am Tisch. Politik, Verwaltung und unser Projektteam haben alle an einem Strang gezogen. 

Wie weit ist das Projekt? 

Anfang des Jahres haben wir den Rohbau und die Fassade abgeschlossen, nun sind wir im Innenausbau. Die Bauzeit für die Holzkon-struktion war mit 100 Tagen für das ganze Haus beeindruckend. 

Wie ist der aktuelle Verwertungsstand? 

Etwa zwei Drittel des Gebäudes haben wir an Universal Investment vermietet. Das ist der bisher größte Mietvertragsabschluss am Frankfurter Immobilienmarkt im Jahr 2023! Das letzte Drittel füllt sich kontinuierlich. Die Nachfrage ist hoch. Und das führe ich auch auf den Baustoff zurück. Ich hatte noch nie zuvor -erlebt, dass die Menschen bei einer Objekt-besichtigung die Säulen und Wände angreifen und beginnen, über Wärme, Atmosphäre und Nachhaltigkeit zu sprechen. Holz bewegt! 

Sind die Mieten vergleichbar mit klassischen Bürobauten? Oder teurer? 

Das ist von Stadt zu Stadt, von Lage zu Lage, von Objekt zu Objekt sehr unterschiedlich. Aber generell würde ich sagen: Im Schnitt soll die Miete in unseren Timber-Projekten rund fünf Prozent über dem Standard liegen. Im Sinne der Nachhaltigkeit halte ich das für durchaus angemessen. 

Wie groß ist der Gesamtanteil an Timber-Projekten in Ihrem aktuellen Neubauportfolio? 

Wir haben die Zeit seit 2020 intensiv genutzt und den Großteil unserer Projekte auf Holz umgestellt. Insgesamt sprechen wir von 15 Büro- und Wohnbauprojekten, in Summe an die 250.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche, die wir bis 2027 zur Umsetzung bringen werden. Somit ist der Timber-Anteil in unserem Neubauportfolio auf etwa 50 Prozent angestiegen. Wir wollen einer der führender Projektentwickler im Holzbau werden. 

»Timber Factory«, München 2024 startet die Realisierung des 60.000 Quadratmeter großen Büro- und Gewerbeparks in München-Moosach. Die Fertig-stellung ist für 2027 geplant. ubm-development.com

© UBM

»Timber Pioneer«, Frankfurt Mit 17.000 Quadratmetern ist der »Timber Pioneer« von Eike Becker Architekten das erste große Holzbauprojekt in der Finanzmetropole am Main. Aktuell geht der Innenausbau vonstatten. timber-pioneer.de

© Eike Becker Architekten

Vom Beton-Developer zum Holzliebhaber Mitten in der Coronapandemie hat UBM
seine Strategie radikal verändert. In den kommenden Jahren will Vorstandsmitglied Martin Löcker eine Viertelmillion Quadrat-meter in Timber-Bauweise errichten. ubm-development.com

© Konrad Limbeck

Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz? 

Wirklich herausragend ist das »Leopold­Quartier« im zweiten Wiener Gemeindebezirk, direkt am Donaukanal gelegen. Da sprechen wir nämlich nicht nur von einem einzigen Objekt, sondern von einem innerstädtischen Quartier, das wir komplett in Holz errichten: Büro, Wohnbau und Serviced Apartments, in Summe an die 75.000 Quadratmeter Bruttogeschoß­fläche. Neben der Holzbauweise setzen wir beim »LeopoldQuartier« auf Energieversorgung ­mittels Geothermie und Grundwasser. Damit erreichen wir im Betrieb fast CO2-Neutralität. Das »LeopoldQuartier« hat die Chance, das erste zertifizierte Carbon-Net-Zero-Quartier ­Österreichs zu werden. 

Ihre Kernmärkte sind Österreich, Deutschland und Polen. Was tut sich sonst noch? 

Allerhand in Deutschland. Beispielsweise »Timber Peak« in Mainz, »Timber Port« in Düsseldorf, »Timber Factory« mit rund 60.000 Quadratmetern in München und – was mich besonders freut – »Arcus Timber« in Prag, das ist der erste Geschoßwohnbau in Holzbauweise in ganz Tschechien!  

In der D-A-CH-Region, in Skandinavien und in Frankreich ist Holzbauweise bereits in aller Munde und gesellschaftlich akzeptiert. Wie ist die Situation im CEE-Raum? 

Ja, es gibt kulturelle und bautechnische ­Unterschiede. Auf der bautechnischen und behördlichen Seite sind Österreich, Schweiz und Süddeutschland, was zum Beispiel die Genehmigungsverfahren betrifft, sicher am fortgeschrittensten. Auch das baukulturelle Bewusstsein in Bezug auf Holzbau ist in diesen Ländern sehr stark ausgeprägt, so wie im ­Übrigen auch in den Beneluxstaaten. Im CEE-Raum hingegen – also beispielsweise in Polen und Tschechien – steckt der ­großmaßstäbliche Holzbau eher noch in den Kinderschuhen. 

Worauf führen Sie das zurück? 

Auf viele Faktoren. Aber sicherlich auch auf die Bautradition im ländlichen Raum, wo Holz seit jeher eine große Rolle spielt. Die Bauten, die man in den Karpaten vorfindet, sind sicherlich großartig! Allerdings stehen wir hier vor der Herausforderung, uns von diesem ländlichen und bäuerlichen Stigma zu befreien – und zu beweisen, dass Holz auch sehr urban und ­innovativ sein kann. 

Mit welcher Absicherung gehen Sie in die Märkte hinein? Mit Umfragen? Mit Studien? 

Bei unserem Projekt »Arcus Timber« in Prag haben wir uns im Vorfeld natürlich sehr genau angesehen, ob die Akzeptanz für einen solchen Holzwohnbau gegeben ist. Wir starten mit rund 70 Wohnungen und gehen sehr behutsam vor. Das heißt: Wir sind im ständigen Dialog mit dem Markt, also mit Makler:innen, Developer:innen und Interessent:innen. 

Im Wohnbau scheitern viele Holzbauprojekte in der Realisierungsphase aufgrund der höheren Errichtungskosten. Viele Timber-Developments werden letztendlich konventionell in Stahlbeton ausgeführt. Wie ist das bei Ihnen? 

Wenn wir mit Holz starten, dann bleiben wir auch dabei. Aber Sie haben schon Recht, leider fallen manche Projekte den vermeintlichen Mehrkosten zum Opfer. Tatsache ist, dass die Baukosten im Holzbau aktuell noch über dem konventionellen Massivbau liegen. Schaut man aber das ganze Bild an, dann relativieren sich diese Unterschiede. 

Weil? 

Weil die Bauzeit ein wesentlicher Faktor ist. Holzbau hat das Potenzial, bis zu einem Drittel an Bauzeit zu sparen. Das führt bei höheren Zinsen – wie wir sie aktuell haben – zu einem beachtlichen Kompensationseffekt. 

Bleiben wir bei den Zinsen: Die EU-Taxonomie, die im Jänner 2022 in Kraft getreten ist, sieht vor, ökologisch nachhaltige Projekte, die gewisse Auflagen erfüllen, in der Finanzierung zu bevorzugen. Merkt man das bereits? 

Die EU-Taxonomie, aber auch neue Instrumente wie etwa Berichtspflichten für Unternehmen und Finanzinvestor:innen – Stichwort CSRD und SFDR – führen zu großen Veränderungen und langfristig zu nachhaltigen Finanzierungen. Erstmals in der Geschichte der Finanzmarktwirtschaft ist die Branche gezwungen, sich mit ökologischer und baulicher Nachhaltigkeit zu befassen. Das ist eine große Chance! Aber natürlich merkt man, dass das für alle Marktteilnehmer:innen ein relativ neues Feld ist. Was aber dafür umso stärker auffällt: Unsere Investor:innen interessieren sich heute fast ausschließlich nur noch für ökologische und EU-Taxonomie-kon­forme Projekte. Weltweit haben sich die ­Green Investments seit 2015 verzwanzigfacht. Seit 2019 nimmt das in einer enormen Geschwindigkeit zu. 

Die Abkürzung UBM steht für Union-­Bau­-mate­rialien-Gesellschaft. Ist Holz nun Ihr Baustoff Nummer eins?

Früher ließ sich UBM tatsächlich noch auf die Abkürzung zurückführen. Heute heißt unser Unternehmen einfach nur UBM. Aber ja, Holz ist für uns definitiv zum Baustoff Nummer eins geworden. 

Wie lautet Ihre Prognose für die nächsten Jahre? 

Die Nachfrage nach qualitätsvollem Wohnraum und zukunftsfitten Büros ist und bleibt sehr groß. Die Urbanisierung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen, wenngleich sie sich verändern wird. Die größte Chance liegt meiner Auffassung nach also in der Nutzung der vorhandenen urbanen Ressourcen. Das heißt: Wir müssen bestehende Gebäude und Infrastrukturen umnutzen, verdichten, ­lebenswert weiterentwickeln. Das nächste Kapitel heißt ohne jeden Zweifel »Develop to green«. Da spielen Holz und die grüne, ­dezentrale Energieversorgung eine wichtige, unverzichtbare Rolle.

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN IM LIVING RESIDENCES 2301.

»LeopoldQuartier«, Wien Nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern gleich ein ganzes Wohn- und Büroviertel am Donaukanal errichtet die UBM im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Das von HNP architects geplante Projekt soll das erste zertifizierte Carbon-Net-Zero-Quartier Österreichs werden. leopoldquartier.at

© HNP Architects

»Arcus City«, Prag Im Südwesten der tschechischen Hauptstadt baut die UBM derzeit das Wohnquartier »Arcus City«. Ein Teil davon wird als Holzbau ausgeführt. Bis Ende 2024
sollen die insgesamt 62 nachhaltig errichteten Wohnungen im »Timber Praha« fertiggestellt werden. Wohnungsgrößen 40 bis 110 Quadratmeter. arcus-city.cz

© woow studios

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