Zirbe, Kork, Kalk & Co. – Atmungsaktive Baustoffe
Es ist nicht alles edel, was glänzt. Denn auch Architektur ohne synthetische Kosmetik kann elegant, wohnlich und schön sein. Wenn die Materialien atmen dürfen, können auch die Menschen verschnaufen und sich wohlfühlen. Und das funktioniert in jedem Klima der Welt.
02 . Juni 2022 - By Maik Novotny
Die Älteren unter uns werden sich noch an die Zeit erinnern, als Nylonpullover und Viskosekleider die heißesten Dinge waren. Und sie wissen sicher auch noch, dass es in diesen gemeinsamen Meisterwerken von Mode und Chemie buchstäblich sehr heiß wurde. Die Atmungsaktivität war damals schließlich noch nicht wiedererfunden.
KEINE SCHWITZHÜTTEN
Die Architektur kennt ein ähnliches Phänomen, doch was das Umdenken betrifft, hinkt man der Mode noch leicht hinterher. Immer noch werden brandneue Häuser in dämmenden Schaumstoff gepackt und luftdicht versiegelt, immer noch werden zum Haareraufen der Klimaschützer mehrere Materialien zu Verbundstoffen verklebt, die sich niemals wieder – oder nur mit großem Aufwand – trennen lassen.
Doch es geht auch anders. Man muss nicht zukünftigen Sondermüll produzieren und auch keine Schwitzhütten bauen. Häuser sollen atmen können. So wie der klassische Vierkanthof in Oberösterreich, den Anna Moser und Michael Hager vom 2011 gegründeten Büro Moser Hager auf ganz luftige Weise sanierten. Sie ließen die Spuren der jahrzehntelangen Nutzungen sichtbar, ohne sie beschönigend zu überschminken. All die vielen Generationen von Ziegeln bilden eine historische Collage, die Dachbalken und Stützen aus Holz dürfen ihre Holzigkeit frei im Raum entfalten. Aufgeladen wird dieses Atmen durch den Kontrast eines verspiegelten Einbaus in die Tenne – einer entmaterialisierten Oberfläche, auf der der Atem des alten Hofes sichtbar wird. »Den Hof in seiner unberührten Ursprünglichkeit vorzufinden, erschien uns wie ein wertvoller Schatz, den es gut zu hüten und zu erhalten gilt«, sagen Moser und Hager.