Zukunft auf Knopfdruck
Der dreidimensionale Druck ist im Labor, in der Medizin und in der Luft- und Raumfahrt unverzichtbar geworden. Doch auch in der Architektur, in der Mode und sogar in der Kulinarik setzt sich die Produktfertigung aus dem 3D-Drucker mehr und mehr durch. Ein Überblick von Small bis Extra-Large.
23 . Juni 2020 - By Wojciech Czaja
Eine Stadt aus Sand? »Warum eigentlich nicht? Immerhin ist Sand jenes Material, das im Wüstenstaat Saudi-Arabien am häufigsten vorkommt«, sagt der Londoner Architekt Arthur Mamou-Mani, -Experte für parametrisches Design und innovative Bautechnologien. »Zudem ist Sand ein ökologischer Baustoff, der eines Tages wieder zu dem verfallen wird, was es mal war. Das ist -Cradle to Cradle pur. Nachhaltiger und ressourcenschonender kann man nicht bauen.« Gemeinsam mit dem österreichischen Büro Studio Precht entwickelte er für die saudi-arabische Stadt Diryah eine Platzgestaltung mit sandigen Bänken, Pflanzentrögen und Schattenspendern, 58 unterschiedliche Module an der Zahl, die allesamt im 3D-Druck hergestellt wurden. Dank dem dreidimensionalen Druck sind die feinsten und abenteuerlichsten Formen baubar. Die Freiheit der Form hat in den letzten Wochen zahlreiche Leben gerettet. Denn nicht nur große Objekte wie Häuser, Brücken, Autos, Stühle und Schuhe lassen sich auf Wunsch dreidimensional drucken, sondern auch kleine Preziosen wie etwa Schmuck, Schokopralinen – und dringend benötigte
Ersatzteile in der Medizin. Als in der nord-italienischen Provinz Lombardei im Zuge der Corona-Krise Anfang März die Ventile mehrerer Beatmungsgeräte defekt wurden, drohten einige Dutzend Patienten zu ersticken. Die Lösung lieferte Massimo Temporelli, 3D-Druckexperte und Gründer des Mailänder -Studios FabLab. Er packte seinen 3D-Drucker ins Auto, fuhr damit ins Krankenhaus, baute die defekten Ventile am Computer nach und druckte innerhalb von wenigen Stunden die dringend benötigten Ersatzteile.
Durch den Schichtaufbau können Strukturen realisiert werden, die mit keinem anderen Verfahren möglich sind. Mit 3D-Druck lassen sich Mikrogefüge erstellen, die mit konventionellen Methoden nicht erreichbar sind.
Schnell, komplex, kompliziert
»Der 3D-Druck vereint Eigenschaften, die keine andere Fertigungstechnologie zu bieten imstande ist «, sagt Frank Herzog, Gründer von Concept Laser, einer Tochter des US-Giganten General Electric mit Sitz in Bayern. Schon seit 20 Jahren beschäftigt sich der deutsche 3D-Druck-Experte mit der Technologie und zählt damit zu den weltweiten Pionieren: »Durch den Schichtaufbau können Strukturen realisiert werden, die mit keinem anderen Verfahren möglich sind. Mit 3D-Druck lassen sich Mikrogefüge erstellen, die mit konventionellen Methoden nicht erreichbar sind.«
Unverzichtbar ist der 3D-Druck in der Luft- und Raumfahrt, in der Medizintechnik, wo bereits Zahnimplantate, Knieprothesen und Schuheinlagen gedruckt werden, sowie überall dort, wo auf die Schnelle komplexe, komplizierte Ersatzteile produziert werden müssen. In der Mode, im Design und in der Architektur, wo heute schon mit Metall, Keramik, Glas, Beton und unterschiedlichen Kunststoffen gedruckt werden kann, gilt der dreidimensionale Druck eher als Spielwiese und Trendsetter für künftige Entwicklungen, wie die Wiener Schmuckdesignerin Marie Boltenstern meint.
»Wir sind heute in einer Phase, in der der 3D-Druck immer mehr in den Alltag von uns Konsumenten vordringt«, sagt die ausgebildete Architektin, die vor fünf Jahren das Juwelierunternehmen ihrer Familie übernommen hat. »Es gibt eine Menge toller, spannender Experimente, und einige davon werden sicher wieder abflachen und von der Bildfläche verschwinden. Aber insgesamt leistet die Branche derzeit wichtige Forschungs- und Grundlagenarbeit, die die Entwicklung und Industrialisierung des 3D-Drucks in den kommenden Jahren deutlich vorantreiben wird.«