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Sie ist UNESCO-Kulturerbe und gleichzeitig Europas Digital-Wunderwuzzi. In Tallinn hat die junge Szene in kürzester Zeit eine Fülle von Museen und Kulturzentren herbeigezaubert, und es kommen immer noch neue dazu.

09 . August 2022 - By Maik Novotny

Weniger als eine halbe Million Einwohner:innen zählt die ­Hafenstadt am nördlichen Zipfel des Baltikums. Doch hier geht es keineswegs provinziell zu. Denn Estland liegt nicht nur an der Schnittstelle zwischen ­Finnland, Russland und Mitteleuropa, es gilt auch als Europas digitales Wunderkind. Hier gibt es mehr Start-ups pro Kopf als in jedem anderen Land und hier sitzt die IT-Agentur der EU. Tallinn, dessen fast komplett erhaltene Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, ist eindeutig eine junge Stadt. Kein Wunder also, dass hier innerhalb nur einer Generation in Start-up-Geschwindigkeit eine vitale Kunstszene mit sage und schreibe 44 Kunstmuseen entstand. Dazu kommen gleich mehrere Viertel, in denen sich die ­Kreativszene angesiedelt hat. In der Telliskivi Creative City finden mehr als 800 Events pro Jahr statt. Im Viertel Kalamaja wurde 2011 ein »Kulturkilometer« angelegt, mit dem ­Kultuurikatel in einem ehemaligen Kraftwerk als Creative Hub. Gleich daneben hat die ­junge, hungrige Stadt schon den nächsten Ort entdeckt: das Hafenviertel Noblessner, in dem noch vor Kurzem Schiffe repariert wurden und das heute zum Aushängeschild an der Waterfront wird. Also auf zur kulturellen ­Verjüngungskur mit frischer Meeresluft!

FREITAG

Ein junges Museum mit langer Geschichte, ein party-freudiger Artspace mit Punk-Spirit und gleich zwei Häuser für die Fotografie.

Die meisten Museen in Tallinn sind jung, doch nicht wenige von ihnen haben eine lange Vorgeschichte – schließlich wurde die estnische Kunst nicht erst gestern erfunden. Auch die Idee für das Kumu Art Museum stammt schon aus den 1930er-Jahren, wurde aber erst nach der erneuten Unabhängigkeit wieder aufgegriffen. 2006 war es schließlich so weit, seitdem erfüllt das Kumu die wichtige Doppelrolle als Nationalgalerie für estnische Kunst ab dem 18. Jahr­hundert sowie als Museum für zeitgenössische Kunst mit zahlreichen Wechselausstellungen.

ESTNISCHE EIGENINITIATIVE

Programmatisch noch jünger ist das aus typisch estnischer Eigeninitiative gegründete zeitgenössische Kunstmuseum EKKM, das ganz spezifisch und engagiert jungen heimischen Künstler:innen eine Bühne bietet – mit entsprechenden Events und Partys, um das Kennenlernen zu erleichtern. Entstanden aus einem frechen Punk-Gestus, will sich das EKKM bewusst nicht in eine Nische drängen lassen, sondern sich stets neu erfinden, überraschen und provozieren.

Eine besondere Rolle im Kulturspektrum Tallinns spielt die Fotografie. Ihr sind gleich mehrere Kunstorte gewidmet: Das brandneue Fotografiska Tallinn, eine Zweigstelle der ­gleichnamigen Stockholmer Organisation, ­beleuchtet und belichtet die Gegenwart und ist im ­Hipsterquartier des Creative Hub Telliskivi angesiedelt. Das Fotografiemuseum, das zum städtischen Linnamuuseum gehört und sich mit seiner Dauerausstellung dem ersten Jahrhundert der estnischen Fotografie von 1840 bis 1940 widmet, ist natürlich passenderweise in der Altstadt zu Hause.

SAMSTAG

Vom Großen ins Kleine: ein über 100 Jahre altes Megamuseum, ein Ausflug in die Architektur und ein Hausbesuch in einer wildromantischen Kommune.

Ein ganzes Kunstkonglomerat wartet heute auf uns, noch dazu ein wahrer Senior zwischen Tallinns Kultur-Jungspunden. Das Eesti Kunstimuuseum EKM wurde 1919 gegründet und hat sich seitdem vielfältig verzweigt. Neben dem schon bekannten Kumu sind dies das Kadriorg Art Museum für frühe europäische und russische Kunst, das Mikkel-Museum mit seinen Privatsammlungen, das Niguliste-Museum für kirchliche Kunst (natürlich in einer ehemaligen Kirche) und das Adamson-Eric-Museum, das sich dem gleichnamigen Künstler widmet. Was auch immer man davon auswählt, falsch liegt man sicher nicht.

VERZAUBERTE KOMMUNE

Dafür lassen wir es als Nächstes etwas konzen­trierter angehen. Eine der vielen Kulturinstitutionen in industriellem Ambiente ist das Architekturmuseum, dessen Räume in einer ehemaligen Salzlagerhalle schon einen Besuch wert sind. Hier lernt man viel Neues über die estnische Baukunst mit einem Fokus auf dem 20. Jahrhundert, kann die Sammlung von 18.000 Architekturfotos durchstöbern, und auch die Kinder können hier in der preis­gekrönten Ausstellung »Explore Space!« ­spielerisch das Bauen erfahren.

Eine Besonderheit unter den vielen Museen Tallinns ist in einem Holzhaus aus dem Jahre 1908 versteckt. Hier lebt und arbeitet die Künstlerin Flo Kasearu – und hier verschmelzen Leben, Kunst und Person zu einem permanenten Kunstprojekt. Das Anwesen mit wild wucherndem Garten gehörte einst ihrer Urgroßmutter, heute wohnt sowohl ihre Familie hier als auch eine Auswahl von Künstler:innen und Filmemacher:innen. Eine verzauberte Pippi-Langstrumpf Kommune, die den Besuch (nach Vereinbarung) auf jeden Fall lohnt.

SONNTAG

Hinein in den kosmopolitischen Trubel der estnischen Kunst-Start-ups! Und zum Abschluss eine Reise in die finnougrische Geschichte.

Angesichts der enormen Fülle an Museen, die alles abdecken, verwundert es nicht, dass Tallinn eine eher überschaubare Galerienszene bietet. Einen Teil dieses Spektrums deckt die staatlich geförderte Kunsthallen-Stiftung Kunstihoone ab, die mit drei Galerien im Stadtzentrum und über 15 Ausstellungen pro Jahr hochaktiv ist und sich sowohl international als auch thematisch aktuell und risikofreudig positioniert, mit Themen wie Klimawandel, Feminismus und Migration.

Ein ganz neues Kunst-Start-up wurde 2019 in einem früheren U-Boot-Hangar gegründet. Das Kai Art Center im Hafenviertel Noblessner bietet Raum für zeitgenössische estnische Kunst und Artists in Residence, mit fünf Ausstellungen pro Jahr. Und weil sich das Kai als Herzstück des neuen Stadtquartiers versteht, wird die Kunst hier angereichert mit einem Kino, einer Bäckerei, zwei Restaurants und einer Cocktailbar.

KULTURELLES GEDÄCHTNIS

Angesichts all dieser quirligen jungen Szeneorte könnte man fast den Eindruck gewinnen, Estland wäre erst vor einer Generation erfunden worden. Doch das kleine Land hat eine  jahrhundertelange Geschichte. Um dieser nachzuspüren, machen wir einen Sonntagsausflug in den Südosten des Landes zu Estlands zweitgrößter Stadt, Tartu. Hier wurde 2016 der Neubau des Estnischen Nationalmuseums eröffnet, der als 350 Meter langer schimmernder Quader aus  einem ehemaligen sowjetischen Flugfeld auftaucht. Darin werden die Zeugen der Geschichte und der finnougrischen Kultur aufbewahrt, aber auch der Dialog mit der Gegenwart gelebt und erforscht. Als kulturelle Grundlage für die nächsten Generationen estnischer Start-ups.

HOTELS

HOTEL TELEGRAAF*****
Inmitten der Altstadt gelegen, präsentiert sich das »Telegraaf« im Charme eines Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert. Moderner Luxus in historischem Ambiente, und der Pool mit Glasdach ist eine Nummer für sich.
Vene 9, 10123 Tallinn
T: +372 600 0600, telegraafhotel.com

SWISSÔTEL*****
Im »Swissôtel« überblicken Sie Tallinn und genießen dabei auf allen Etagen den typischen Komfort der Swissôtel-Gruppe. Fitnesscenter, Pool, Spa, Lounges und sogar eine Sauna mit Fernblick warten hier auf Sie.
Tornimäe, 3, 10145 Tallinn
T: +372 624 0000, swissotel.de

Hilton Tallinn Park Hotel*****
In dem lang gezogenen, schicken Gebäude gibt es nichts, worauf sie verzichten müssten. Hilton-Hotels sind bekannt für ihre umfangreiche und luxuriöse Ausstattung und auch in der estnischen Landeshauptstadt erwartet Sie Gewohntes.
F. R. Kreutzwaldi 23, 10147 Tallinn
T: +372 630 5333, hilton.com

Palace Hotel Tallinn*****
Das »Palace« liegt gleich am Rande zum historischen Stadtkern Tallinns und damit nicht nur günstig für Ausflüge zu Fuß ins Herz der Hafenstadt. Die Tram Nummer 4 bringt sie vom Flughafen zum Hotel, während dort bereits sämtliche Annehmlichkeiten eines Vier-Sterne-Hotels auf Sie warten.
Vabaduse väljak 3, 10141 Tallinn
T: +372 680 6646, palacehotel.ee

Hotel L’Ermitage*****
Das »L’Ermitage« verbindet den Chic eines Businesshotels mit dem einer Luxusunterkunft. Von
außen besticht die moderne Architektur, während im Inneren ein unaufgeregtes Design sämtlichen Urlaubsdruck vergessen lässt.
Toompuiestee 19, 10137 Tallinn
T: +372 699 6400, lermitagehotel.ee

Kreutzwald Hotel Tallinn****
Das »Kreutzwald« schiebt sich wie ein historischer Frachtsegler in den Himmel der Hafenstadt Tallinn und lässt dabei Seefahrtsgefühle aufkommen. Im Inneren fühlt man sich fast ein bisschen an Kapitänskajüten erinnert – mit all ihren Vorzügen.
Endla 23, 10122 Tallinn
T: +372 666 4800, uhotelsgroup.com

Schlössle Hotel******
Altstadt heißt historische Gebäude, wobei sich das »Schlössle« gleich über mehrere Häuser erstreckt, die alle nicht mehr als zwei Stockwerke messen. In den Zimmern und Aufenthaltsräumen erzählen alte Holzbalken und Decken von früheren Tagen und ergänzen die Einrichtung des Boutiquehotels stimmungsvoll.
Pühavaimu 13/15, 10123 Tallinn
T: +372 699 7700, schloesslehotel.com

Savoy Boutique Hotel*****
Klein, fein und in bester Umgebung inmitten des Zentrums von Tallinn gelegen, zählt das »Savoy« zu den romantischeren Hotels der Stadt. Liebevoll gestaltete Zimmer mit unterschiedlicher Einrichtung machen es zur Boutique-Adresse.
Suur-Karja 17, 10140 Tallinn
T: +372 680 6688, rixwell.com

Von Stackelberg Hotel*****
In einem altehrwürdigen Gebäude situiert, präsentiert sich das »Von Stackelberg Hotel« in überschaubarer Größe als Lifestylehotel mit Wohlfühlfaktor dank Zen-Spa und der zum Haus gehörenden Wein-und-Tapas-Bar »OTTO’s«.
Toompuiestee 23, 10137 Tallinn
T: +372 660 0700, vonstackelberghotel.com

Radisson Blu Hotel Olümpia*****
Das »Raddisson Blu« ist eines der wenigen Hochhäuser Tallinns und mit knapp 800 Betten fast schon ein Wolkenkratzer. Aber das muss Sie nicht abschrecken, denn der Wohnstandard ist gewohnt luxuriös und die Aussicht aus den Zimmern sowie von der Rooftop-Bar fantastisch.
33 Liivalaia, 10118 Tallin
T: +372 631 5333, radissonhotels.com

RESTAURANTS & CAFÉS

Fotografiska Café
Das Erleben der Ausstellung erfordert Zeit und einen Ort, um darüber zu sprechen. Das Frühstücksmenü des gemütlichen Cafés und das im Haus angefertigte Gebäck bieten Momente von »fika« – des Lebensgenusses.
Telliskivi 60a-8, 10412 Tallinn
T: +372 5347 2005, fotografiska.com

Café »Mood«
Café, Restaurant? – das »Mood« kann beides und trifft dabei immer die richtige Stimmung. Inspiriert von der Modelwelt, feiert das »Mood« die Ikonen des Modedesigns und vergisst dabei nicht, sie auch kulinarisch zu verwöhnen.
Vabaduse väljak 10, 10146 Tallinn
T: +372 600 0111, moodcafe.co

Chocolaterie Pierre
Sobald Sie die Tür der »Chocolaterie Pierre« -öffnen, umhüllt Sie köstlicher Kaffee- und Schokoladengeruch. Zweifelsohne – für Süßes sind Sie hier genau am richtigen Ort. Kalorien  werden nicht gezählt, umso mehr die glücklichen -Schlemmerminuten.
Vene 6, 10123 Tallinn
T: +372 641 8061, pierre.ee

café Maiasmokk
Das »Maiasmokk« heißt zu Deutsch Feinschmecker und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Seit 1864 werden hier frische Brötchen, feine -Pasteten, handgemachte Bonbons und eine große Auswahl an Kuchen serviert.
Pikk tn 16, 10123 Tallinn
T: +372 646 4066, kohvikmaiasmokk.ee

BARS & NIGHTLIFE

Vixen Vinoteek
Die »Vixen Vinoteek« schafft problemlos den Spagat zwischen lässiger Bar und modernem Weinlokal. Das kompetente Team hilft immer gerne bei der Findung des richtigen Drinks.
Pagari 1, 10133 Tallinn
T: +372 5866 9505

Whisper sister
Gewölbedecke, Kronleuchter, Marmortresen und erstklassige Drinks. Im »Whisper Sister« flüstern die Wände den Barkeepern wohl besonders gute Rezepte ins Ohr. Und die Designer wurden ebenfalls positiv beeinflusst.
Pärnu mnt 12, 10146 Tallinn
T: +372 5874 7837, whispersister.ee

Lobby Bar
Im »Radisson Blu Hotel« lädt die »Lobby Bar« zum Drink nach dem Abendessen ein. Genießen Sie die internationale Atmosphäre und mischen Sie sich unter Einheimische und Gäste aus aller Welt
Liivalaia 33, 10118 Tallin
T: +372 631 5333, radissonhotels.com

Urban bar
»Urban«, besser hätte der Name nicht gewählt sein können, denn diese Bar mit ihrem ungewöhnlichen Tresen verkörpert das moderne Stadtleben wie kaum eine andere. Ein bisschen hip, ein bisschen chic und zu keiner Zeit langweilig.
Roseni 9, 10111 Tallinn
T: +372 5884 8575, urbanbar.ee

Sigmund Freud Bar
Eine Bar nach dem Begründer der Psychoanalyse zu benennen, ist gewagt, denn ganz offenkundig frönen wir unseren Trieben, wenn wir uns Genussmittel zuführen. Oder ist es doch eher ein Akt der Sublimierung? Egal, lassen wir die Moral hinter uns und genießen einfach.
Sauna 8, 10140 Tallinn
T: +372 5696 5414, sigmundfreud.bar

Junimperium
Das Juniperium ist eigentlich eine Destillerie, in der feinster London Dry Gin gebraut wird. Damit die Verkostung aber nicht allzu lange auf sich warten lassen muss, haben Tarvo Jaansoo und sein Team auch eine Bar in das Backsteingebäude integriert, in dem die edlen Tropfen hergestellt werden.
Telliskivi 60m, 10149 Tallinn
T: +372 515 1636, junimperium.ee

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LIVING Nr. 05/2022
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